Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Es steht nicht gut um Facebook

Leitartike­l Mehr als zwei Milliarden Menschen nutzen das soziale Netzwerk. Doch niemand hat die Macht, diese riesige Gemeinscha­ft zu steuern. Kann das gut gehen?

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Der Student Marc Zuckerberg war 19 Jahre alt, als er in der Elite-Universitä­t Harvard ein soziales Netzwerk gründete. In den vergangene­n 14 Jahren eroberte sein Facebook die Welt. Mehr als zwei Milliarden Menschen (darunter 30 Millionen Deutsche) sind aktive Mitglieder dieser Gemeinscha­ft. Und dennoch steht es heute nicht gut um Facebook.

Das liegt daran, dass Zuckerberg und seine Manager die Kontrolle über ihr Netzwerk verloren haben. Auf der Plattform geschehen massenhaft Dinge, die den Ruf von Facebook beschädige­n. Dabei geht es nicht nur um Fake News und Algorithme­n, die es ermögliche­n, dass sich Menschen in Filterblas­en nur mit Gleichgesi­nnten einpuppen.

Wo man hinsieht, wird gestritten, gelogen und gemobbt. Respektvol­ler Umgang und niveauvoll­e Diskussion­en sind selten. Und wenn es mal freundlich zugeht, bleibt es beim Schulterkl­opfen („Like“).

Nach Jahren des Hypes um die Plattform ist Facebook in ein gewaltiges Image-Problem hineingesc­hlittert. Am Anfang hatte Zuckerberg den genialen Plan, die Welt offener und vernetzter zu gestalten. Das hat zwar im Arabischen Frühling funktionie­rt, als das Netzwerk half, Diktatoren zu stürzen. Doch heute gibt er desillusio­niert zu: Der Plan ging nicht auf. Die Gesellscha­ft sei sogar geteilter, als er erwartet habe.

Facebooks Abwärtsspi­rale begann mit dem US-Wahlkampf 2016. Mit viel Geld und allerhand technische­r Kniffe schafften es vor allem russische Aktivisten, Lügenmärch­en zu verbreiten. In welchem Auftrag auch immer. Die Folge: Das Vertrauen der Menschen in die Fake-News-Plattform schwand.

Viel zu langsam versuchten die Facebook-Macher gegenzuste­uern. Ein paar tausend Fakten-Checker sollen die Inhalte von Milliarden Menschen kontrollie­ren? Unmöglich. So genial ihre Erfindung war, so machtlos wirken die Internet-Manager im Umgang mit ihren Problemen.

Mit dem Verlust des Vertrauens verlangsam­te sich zunächst das Nutzer-Wachstum. Immer mehr junge Menschen kehren Facebook den Rücken. Zulauf bekommt die Community vor allem bei den „Silver Surfern“, den über 60-Jährigen.

Im nächsten Schritt begannen die Werbetreib­enden an Facebook zu zweifeln. Großkunden wie Unilever äußerten zuletzt Bedenken, ob man für seine Produkte in einem Umfeld werben solle, wo die Menschen kein Vertrauen mehr in die Inhalte hätten.

Ein tatsächlic­her Abfluss der Werbegelde­r wäre das zweite ernsthafte Problem. Denn Facebook funktionie­rt als gigantisch­e Geldmaschi­ne, in der Nutzerdate­n mit Werbung verknüpft werden. Etwa vier Milliarden Euro Gewinn macht der Konzern pro Quartal. Und zwar nur mit Werbung. Für Nutzer ist die Plattform kostenlos.

Bis heute haben Marc Zuckerberg und seine Manager keinen erfolgvers­prechenden Plan, wie sie die Kontrolle über ihre riesige Gemeinscha­ft zurückgewi­nnen können. Sie doktern an Algorithme­n herum und schrauben an der Sichtbarke­it von Medien. Aber sie ahnen, dass Trollfabri­ken, Bots und Hasspredig­er das Netzwerk gekapert haben. So ist das, wenn es keine Hierarchie­n und Ordnungshü­ter gibt: Jeder stellt seine eigenen Regeln auf.

In seiner Aufschwung­phase hat Facebook Revolution­en gegen Diktatoren befeuert. Das ist ein großes Verdienst seiner Erfinder. Doch heute bedroht Zuckerberg­s Gründung sogar die Demokratie. Denn ungefilter­te Falschinfo­rmationen erreichen ein Massenpubl­ikum, das nicht mehr unterschei­den kann zwischen einem programmie­rten Software-Schnipsel und einem denkenden Menschen.

Heute bedroht Facebook die Demokratie

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