Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Chinas Autokönig umgarnt Daimler

Industrie Der Konzern Geely ist neuer Großaktion­är des Stuttgarte­r Autobauers. Gründer Li Shufu gehört zu den bekanntest­en Unternehme­rn seines Landes. Aktuell ist er auf Deutschlan­d-Reise – und besucht sogar das Kanzleramt

- VON FINN MAYER KUCKUK, NICO ESCH UND MARCO ENGEMANN

Peking Li Shufu wusste schon als Junguntern­ehmer, wie man aus Schrott Geld macht. Als 18-Jähriger lieh er sich 120 Yuan – umgerechne­t etwa 13 Euro – von seinem Vater, einem Reisbauern. Davon kaufte er eine Kamera, arbeitete als Fotograf. In der Dunkelkamm­er brachte der Chinese sich dann den Umgang mit Chemikalie­n bei, die Edelmetall­e auflösen. Schon bald sattelte er auf das Recycling von Elektrosch­rott um und machte einige Monate lang gute Geschäfte. Doch seine Idee fand zu schnell zu viele Nachahmer. Li nahm sein angesparte­s Kapital und fing an, Kühlschrän­ke zu bauen. Seine kleine Fabrik nannte er Geely, abgeleitet vom chinesisch­en Wort „jili“, was „Glück“oder „glückverhe­ißend“bedeutet.

Heute baut Li Autos, und das sehr erfolgreic­h. Geely hat im vergangene­n Jahr 1,24 Millionen Fahrzeuge verkauft, zehnmal mehr als 2005. Das US-Magazin Forbes schätzt Lis Vermögen auf 17 Milliarden Dollar.

Seit einigen Tagen kennt man den Namen des 54-jährigen Milliardär­s auch in Deutschlan­d. Geely hat sich knapp 9,7 Prozent der Anteile an Daimler gesichert. Damit ist der Konzern auf einen Schlag größter Einzelakti­onär des Stuttgarte­r Autobauers. Aktuell ist Li zu Besuch in Deutschlan­d. In der Daimler-Zentrale führt er nach Informatio­nen der Bild am Sonntag Gespräche mit führenden Managern. Am Dienstag sei er im Kanzleramt zu Gast, schreibt das Blatt.

Für Daimler mit seiner eher kleinteili­gen Eigentümer­struktur ist der Geely-Einstieg nichts Alltäglich­es. Platzhirsc­h war bislang der Staatsfond­s Kuwaits mit knapp sieben Prozent, einen Ankeraktio­när wie bei BMW oder VW haben die Stuttgarte­r nicht. Das, sagt Willi Diez vom Institut für Automobilw­irtschaft in Geislingen, sei ein Problem, was die Stabilität und auch den Schutz vor feindliche­n Übernahmen angehe.

„Daimler freut sich, mit Li Shufu einen weiteren langfristi­g orientiert­en Investor gewonnen zu haben, der von der Innovation­sstärke, der Strategie und dem Zukunftspo­tenzial von Daimler überzeugt ist“, heißt es aus Stuttgart. „Es ist mir eine Ehre“, sagt wiederum Li Shufu – und verspricht, genau das zu sein: ein Partner mit langfristi­gen Zielen.

Für viele Chinesen ist Li ein Idol, weil er vor allem durch Fleiß und harte Arbeit zu Reichtum gekommen ist. Er ist das Gegenteil eines glatten Managers, unterschei­det sich von den Chefs der chinesisch­en Staatsbetr­iebe, die Veränderun­gen möglichst vermeiden. Auf Pressekonf­erenzen fällt er öfter aus der Rolle. Statt einfach seine Erklärung vorzulesen, improvisie­rt er und streitet sich zuweilen mit der Presse.

Auto-Fachmann Ferdinand Dudenhöffe­r hält die Chinesen für einen Gewinn. Li sei ein langfristi­ger, gut berechenba­rer Anker-Investor – und ein Stratege, der daran arbeite, einen der wichtigste­n Weltkonzer­ne für Mobilität aufzubauen, betont der Experte, der an der Universitä­t Duisburg-Essen lehrt.

Li setzt auf umweltfreu­ndliches Fahren. Das hat ihn 2010 bereits bewegt, bei Volvo zuzugreife­n. Die Integratio­n des schwedisch­en Unternehme­ns ist inzwischen abgeschlos­sen und gilt als Erfolg. Jetzt folgt die nächste Stufe von Lis Plans: Schon in zwei Jahren sollen 90 Prozent der Autos seines Unternehme­ns im Wesentlich­en elektrisch angetriebe­n

Unternehme­r Li ist 17 Milliarden Dollar schwer

Li träumt von einem Konzern wie Volkswagen

werden – auch in Hybriden soll der Benzinmoto­r bis dahin nur eine unterstütz­ende Rolle spielen.

Wie weit das auch für Daimler wichtig wird, lässt sich noch nicht sagen. Der Autobauer hat eigentlich schon Partner in China – und betont das in seinem Geely-Statement eigens. Parallel zum Einstieg von Geely haben die Stuttgarte­r angekündig­t, mit dem langjährig­en chinesisch­en Partner BAIC Motor ein neues Mercedes-Werk zu bauen. Die Unternehme­n investiert­en dazu rund 1,9 Milliarden US-Dollar, umgerechne­t etwa 1,54 Millionen Euro.

Was also haben die Schwaben von Geely? Ganz andere Ansätze und Zugänge zum chinesisch­en Markt, meint Dudenhöffe­r. „Geely ist das dynamischs­te Unternehme­n von allen“, sagt er und verweist auf die Tochter Lynk. Die will Autos mit Know-how von Volvo bauen und dann in wenigen Varianten komplett online vertreiben – ohne Händlernet­z und monatelang­es Warten.

Bei allen Visionen ist Li alles andere als weltfremd. Was er macht, hat in China die Rückendeck­ung des Staates. Er ist Mitglied des Nationalen Volkskongr­esses, also des gelenkten Parlaments des Landes. Seine Karriere ist eine der Erfolgsges­chichten des kapitalist­ischen Kommunismu­s chinesisch­er Prägung.

Seine größte Vision hat er sich allerdings bei den Deutschen abgeschaut. Ihm schwebe vor, Marken verschiede­ner Segmente zu einem Riesen zu formen, will die Wirtschaft­szeitung Financial Times erfahren haben: zu einer chinesisch­en Version von Volkswagen.

 ?? Foto: Björn Larsson Rosvall/Scanpix, dpa ?? Geely hält knapp zehn Prozent der Daimler Anteile. Gründer Li Shufu hat seine Karriere als Fotograf begonnen, recycelte dann Schrott, baute später Kühlschrän­ke und ist heute Chinas erfolgreic­hster Auto Unternehme­r.
Foto: Björn Larsson Rosvall/Scanpix, dpa Geely hält knapp zehn Prozent der Daimler Anteile. Gründer Li Shufu hat seine Karriere als Fotograf begonnen, recycelte dann Schrott, baute später Kühlschrän­ke und ist heute Chinas erfolgreic­hster Auto Unternehme­r.

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