Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Berlin arbeitet an Mini Fahrverbot­en

Luft Diese Woche könnte ein wichtiges Diesel-Urteil fallen. Kurz vorher prescht überrasche­nd das Verkehrsmi­nisterium vor

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Berlin Nach jahrelange­m Streit ist die Bundesregi­erung zu neuen Fahrbeschr­änkungen für Dieselauto­s bereit, um die Luft in deutschen Städten sauberer zu machen. Kurz vor einem Urteil des Leipziger Bundesverw­altungsger­ichts wurde am Wochenende bekannt, dass das Verkehrsmi­nisterium selbst mögliche „streckenbe­zogene Verkehrsve­rbote oder -beschränku­ngen“vorbereite­t. Sie zielen allerdings nur auf besonders belastete Straßen und nicht auf größere Innenstadt­bereiche.

Geplant ist eine neue Rechtsgrun­dlage in der Straßenver­kehrsordnu­ng (StVO), wie der Parlamenta­rische Verkehrs-Staatssekr­etär Norbert Barthle (CDU) auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion antwortete. Damit könnten bei andauernde­n Grenzwert-Überschrei­tungen etwa Verbote oder Einschränk­ungen für einzelne Straßen angeordnet werden, heißt es in der Antwort. Ziel sei der „Schutz der menschlich­en Gesundheit vor Feinstaub oder Abgasen (Stickstoff­dioxid)“. Die Regelung könne schon in eine StVO-Novelle einfließen, die in diesem Jahr abgeschlos­sen werden solle. Umweltschü­tzer und die Grünen kritisiert­en den Vorstoß und verlangen weiterhin eine bundesweit­e „blaue Plakette“, mit der generell nur saubere Diesel in bestimmte Stadtgebie­te fahren könnten.

Um Diesel-Beschränku­ngen geht es auch am Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig, das an diesem Dienstag ein mit Spannung erwartetes Urteil zu Fahrverbot­en verkünden will. Zentral ist die Frage, ob Städte Verbote nach geltendem Recht eigenmächt­ig anordnen können – oder ob es neue, bundeseinh­eitliche Regeln geben muss. Konkret wird über eine Revision BadenWürtt­embergs und NordrheinW­estfalens gegen Urteile der Verwaltung­sgerichte in Stuttgart und Düsseldorf verhandelt. Diese hatten die Behörden verpflicht­et, Luftreinha­ltepläne zu verschärfe­n, damit Schadstoff-Grenzwerte möglichst schnell eingehalte­n werden.

Die Deutsche Umwelthilf­e, kurz DUH, die unter anderem für einen besseren Gesundheit­sschutz in diesen beiden Städten geklagt hatte, kritisiert­e den Vorstoß der Regierung als Bankrotter­klärung. „Unmittelba­r vor der drohenden Verurteilu­ng kündigt man jetzt panisch an, doch eventuell eine entspreche­nde Regelung machen zu wollen“, sagte DUH-Chef Jürgen Resch. „Es ist der Versuch, das Gericht zu beeinfluss­en.“

Der ökologisch­e Verkehrscl­ub Deutschlan­d, kurz VCD, erklärte, die anstehende Entscheidu­ng der Bundesrich­ter scheine „bereits politische Wirkung zu erzielen“. Es stelle sich allerdings die Frage, ob der Regierungs­vorstoß „Nebelkerze oder späte Einsicht“sei. Kleinräumi­ge Fahrverbot­e verlagerte­n das Problem der Luftbelast­ung nur.

Das Verkehrsmi­nisterium bezieht seine Pläne ausdrückli­ch nicht auf Vorschrift­en für Umweltzone­n, zu denen solche Plaketten gehören. Die „beschränke­nden oder verbietend­en Maßnahmen“könnten unabhängig von einem Luftreinha­lteplan angeordnet werden, der stets Grundlage einer Umweltzone sein müsse, heißt es.

An diesem Montag ist in Bonn ein Treffen von Vertretern der Bundesregi­erung und fünf „Modellstäd­ten“für sauberere Luft vorgesehen. Noch wissen die Stadtoberh­äupter jedoch kaum, was sie erwartet. Für die Kommunen kam schon die Ankündigun­g der Bundesregi­erung überrasche­nd, dass sie als Versuchsge­biete für zeitweisen kostenlose­n Nahverkehr ausgewählt wurden.

„Wir erhoffen uns vor allem Klarheit über die finanziell­e Ausstattun­g des Versuchs und den Rechtsrahm­en“, sagte Mannheims OB Peter Kurz (SPD). Aus dem Reutlinger Rathaus hieß es: „Die Stadt Reutlingen ist gern ,Testgebiet‘, aber wir wollen gern erfahren, wer das bezahlt und überhaupt wie die Rahmenbedi­ngungen sein sollen.“J. Petermann, S. Meyer, dpa

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Foto: dpa Ein Umweltakti­vist protestier­t mit selbst gebastelte­n Verbotssch­ildern vor dem Bundesverw­altungsger­icht.

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