Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Aleviten feiern ihr 25 Jähriges

Religion Augsburgs Gemeindemi­tglieder sind stolz auf ihre Tradition und das, was sie in der Stadt geschaffen haben. Die aktuelle politische Lage in der Türkei machte einem Ehrengast einen Strich durch die Rechnung

- VON STEFANIE SCHOENE

Im Januar 1993 erhielten die Gründer – zumeist Gastarbeit­er der ersten Generation und deren Kinder – das 6000 Quadratmet­er große städtische Grundstück an der Bozener Straße in Erbpacht. Dort bauten die Augsburger Aleviten als erste Ortsgemein­de in Europa eine eigene Versammlun­gsstätte (Cem-Haus). 2016 erwarb der Verein das Grundstück. In der Zwischenze­it investiert­en die 500 zahlenden Gemeindemi­tglieder und ihre Sponsoren insgesamt fünf Millionen Euro, zuletzt 2017 in moderne Konzert- und Bühnentech­nik für den großen Veranstalt­ungssaal im Erdgeschos­s.

Oberbürger­meister Kurt Gribl, Schirmherr des Festaktes, gratuliert­e den etwa 300 Gästen und betonte in seiner Ansprache: „Ihre Religionsg­emeinschaf­t hat eine stolze, jahrhunder­tealte Tradition und blickt auf eine schmerzhaf­te Geschichte von Verleumdun­g und Verfolgung sowohl im Osmanische­n Reich als auch in der Türkei zurück.“Die Vereinsgrü­ndung vor 25 Jahren zeigte: In Deutschlan­d waren sie angekommen. „Es ist schön, dass da sind!“Besorgt äußerte er sich über die Ereignisse in der Türkei: „Die Auswirkung­en der Konflikte dort sind auch hier spürbar. Der Frieden in unserer Stadt sollte nicht von Strömungen bedroht werden, die in der Türkei für Konflikte verantwort­lich sind.“Er nannte die Ablehnung des Krieges in Syrien durch die alevitisch­e Gemeinde „mutig“und äußerte sich anerkennen­d, dass sie den zunächst eingeladen­en türkischen Generalkon­sul als Vertreter der Türkei wieder ausgeladen hatte.

Dass der Ehrengast, der alevitisch­e Bürgermeis­ter des Istanbuler Stadtteils Maltepe, seine Teilnahme absagen musste, bedauerte der Vorsitzend­e der Gemeinde, Ali Kocakahya: „Das Innenminis­terium hat diesem gewählten Vertreter von 50 000 Einwohnern die Ausreise verboten. Da ist einiges faul.“

Auch die Rede von Ufuk Çakir, Vorstandsm­itglied des Dachverban­des der Alevitisch­en Gemeinde Deutschlan­d, nahm die türkischen Entwicklun­gen in den Fokus. Die Entlassung von Deutschen aus türkischen Gefängniss­en deute nicht auf einen Politikwan­del der Regie- rung Erdogan hin. Die institutio­nelle Repression gegen die Glaubensge­meinschaft nehme wieder zu. In Deutschlan­d setze sich die Gemeinde der Aleviten weiterhin für eine freie und offene Gesellscha­ft ein, wünsche sich von staatliche­r Seite jedoch mehr Investitio­n in die universitä­re Ausbildung der alevitiSie schen Geistliche­n. Die Augsburger Familie Yildirim mit Sängerin Sezgi, ihrem Bruder Onur (Cachon), Cousin Eren (Gitarre, Gesang) und ihrem Onkel Ayhan (Saz) umrahmte die Veranstalt­ung mit Liedern, die nicht nur Rhythmus, sondern alevitisch­e Geschichte und Glaubensph­ilosophie transporti­eren. Ein Gebet

des Dede (Geistliche­r), drei Kerzen und der Semah-Tanz von vier Frauen und vier Männern beschlosse­n die Veranstalt­ung. Der Tanz gehört zu den zwölf Ritualpfli­chten im alevitisch­en Cem (Versammlun­g) und symbolisie­rt den Kreislauf des Kosmos sowie die Verbundenh­eit des Menschen mit der Natur.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Die Semah Gruppe aus der alevitisch­en Gemeinde München führte beim Festakt in Augsburg einen traditione­llen Tanz auf.
Foto: Peter Fastl Die Semah Gruppe aus der alevitisch­en Gemeinde München führte beim Festakt in Augsburg einen traditione­llen Tanz auf.

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