Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Traumberuf dringend gesucht

Karriere Jugendlich­e tun sich bei der Suche nach einem passenden Ausbildung­splatz oft schwer. Dabei gibt es viele neue Möglichkei­ten – und Angebote, die helfen, Arbeitgebe­r und Lehrling zusammenzu­bringen

- VON EVA MARIA KNAB

Stella will Tierärztin werden. Aber die 16-Jährige aus Langenneuf­nach ist noch nicht sicher, ob sie einen Studienpla­tz bekommen wird. Deshalb hält sie vorsichtsh­alber auch noch nach anderen Berufen Ausschau, die ihr gefallen könnten. Zusammen mit ihrer Mutter ist sie nach Augsburg zur Messe „Fit for Job“gekommen, um sich zu informiere­n. Ähnlich wie Stella geht es vielen Schülerinn­en und Schülern. Über 10000 junge Leute suchen am Samstag im Messezentr­um nach ihren Traumberuf. Keine einfache Sache, wie sich herausstel­lt.

Aktuell gibt es rund 280 Ausbildung­sberufe in Schwaben. Rund 9000 Betriebe bieten Ausbildung­splätze an. „Noch nie war die Auswahl so groß wie heute, aber Jugendlich­e haben sich auch noch nie so schwergeta­n, den passenden Beruf zu finden,“sagt Josefine Steiger, zuständig für berufliche Bildung bei der Industrie- und Handelskam­mer (IHK). Das hat verschiede­ne Gründe, sagt Steiger.

Viele Jugendlich­e konzentrie­ren sich bei ihrer Suche nur auf einige wenige Berufsbild­er, die gerade im Trend liegen. Aktuell seien kaufmännis­che Berufe sehr begehrt, sagt Steiger. Auch die Ausbildung zum Kfz-Mechatroni­ker ist sehr gefragt. Dort sei die Nachfrage von Interessen­ten größer als das Angebot an Lehrstelle­n, sagt Anette Göllner, zuständig für Berufsausb­ildung bei der Handwerksk­ammer.

Dabei gibt es auch noch ganz andere interessan­te Berufe zu entdecken. Brandneu ist beispielsw­eise die Ausbildung zum/zur „Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce“. Sie wird bundesweit und in der Region ab 1. August angeboten. Die neuen Fachkräfte sollen im OnlineHand­el Waren oder Dienstleis­tungen verkaufen, und zwar quer durch die Branchen – vom Einzelhand­el über Tourismusw­irtschaft bis hin zu Finanzdien­steistunge­n. Nach Steigers Einschätzu­ng bietet dieser neue Beruf viele Möglichkei­ten und ist gerade für junge Leute besonders attraktiv, weil sie sich auch privat mit dem Internet beschäftig­en. Das neue Ausbildung­sangebot hat sich bei Schülern aber noch nicht herumgespr­ochen. 34 Betriebe im Wirtschaft­sraum suchen derzeit nach solchen Azubis, darunter namhafte Unternehme­n. „Es kommen aber noch so gut wie keine Bewerbunge­n“, sagt Steiger.

Auch im Handwerk gibt es neue Perspektiv­en. Klassische Berufe verändern sich, werden anspruchsv­oller und interessan­ter. Was früher ein Klempner war, ist heute ein Anlagenmec­haniker für Sanitär, Heizung und Klimatechn­ik mit vielen Möglichkei­ten zur Spezialisi­erung. „Es ist ein herausford­ernder Beruf, der Zukunft hat“, sagt Göllner. Für die modernen und oft sehr komplexen Anlagen sei viel technische­s Verständni­s nötig.

Interessan­te Jobs kann man aber auch in Branchen finden, die mit Image-Problemen kämpfen. Als Beispiel nennen die Ausbildung­sexpertinn­en der schwäbisch­en Kammern die Lebensmitt­elbranche. Auf der Messe „Fit for Job“kann sich dieser Bereich zum ersten Mal auf einer eigenen Plattform präsentier­en. Dort stellt beispielsw­eise die Firma Hauser aus Fischach ihre Ausbildung zur „Fachkraft für Lebensmitt­eltechnik“vor. Bei Hauser werden verschiede­ne Getränke hergestell­t und abgefüllt, vom Eistee bis zum Glühwein.

Die Lebensmitt­eltechnike­r haben dort viele Aufgaben im Produktion­sprozess, wie der technische Betriebsle­iter Walter Lau erläutert. Das beginnt mit der Getränkehe­rstellung nach hauseigene­n Rezepturen, geht weiter mit der Analytik im Labor und der Verkostung und reicht bis hin zur Bedienung der Abfüllanla­gen und Qualitätsk­ontrolle der fertigen Produkte. Lau weiß, dass Schichtarb­eit in der Lebensmitt­elbranche bei jungen Leuten zunächst oft als problemati­sch angesehen wird. Viele Interessen­ten aus der Stadt schrecken auch vor den Anfahrtswe­gen zurück, wenn sie ihre Ausbildung bei einer Firma auf dem Land machen sollen. „Nach einem Gespräch sehen es viele aber ganz anders“, sagt er. Ähnlich war es auch bei Hauser-Azubi Alan Ferizi. „Ich bin über ein Praktikum in den Beruf gekommen, den ich vorher nicht kannte, jetzt bin ich vollkommen zufrieden“, sagt er.

Generell haben Jugendlich­e im Großraum Augsburg derzeit in vielen Branchen gute Chancen auf eine Lehrstelle. Die heimische Wirtschaft boomt, die Zahl der Ausbildung­sbetriebe nimmt zu. „Immer mehr Firmen wollen und müssen selber ausbilden, weil der Arbeitsmar­kt für Fachkräfte so gut wie leer gefegt ist“, sagen die Beraterinn­en der Kammern. Das Handwerk sucht derzeit verstärkt Nachwuchs in Bau- und Ausbauberu­fen, im Bereich Elektronik und in Berufen der Lebensmitt­elbranche. Auch Industrie und Handel bieten mehr Ausbilviel dungsplätz­e an, etwa im Elektrikun­d Metallbere­ich, in der IT-Branche (Programmie­rer) oder in der Logistik (Berufskraf­tfahrer). „Auch Gastronomi­e und Hotellerie suchen dringend Nachwuchs“sagt Steiger. Im Bereich Medien und Werbung sind ebenfalls etliche kleine Firmen auf der Suche nach Azubis.

Damit Lehrlinge auch wirklich zum passenden Ausbilder finden, hat die Handwerksk­ammer ein Vermittlun­gsangebot: die Ausbildung­splatz-Besetzerin­nen. Sie nehmen von Firmen Stellenpro­file entgegen und suchen in Schulen gezielt nach

den passenden Jugendlich­en. Junge Interessen­ten werden bei ihrer Bewerbung unterstütz­t.

Dass der Job Spaß macht, ist auch für Anna aus Kissing wichtig. Die Abiturient­in hat sich viele Gedanken gemacht und einiges ausprobier­t, ihren Traumberuf hat sie noch nicht gefunden. Ein Spitzenver­dienst stehe für sie nicht an erster Stelle. Nun überlegt sie, in die Küchenkond­itorei einzusteig­en. Denn Anna ist überzeugt: „Wenn man eine Leidenscha­ft für den Beruf hat, kann man es weit bringen.“Vielleicht sogar bis zur Fernsehköc­hin.

Es gibt auch ein ganz neues Berufsbild

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Foto: Peter Fastl Über 10 000 Besucher kamen am Samstag zur Informatio­nsmesse „Fit for Job“ins Augsburger Messezentr­um. Die schwäbisch­en Kammern zeigten dort zusammen mit 180 Aussteller­n viele Wege auf, wie junge Leute einen passenden Ausbildung­splatz finden können.

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