Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein einsamer Wolf in Moskaus klirrender Kälte
Fußball 100 Tage vor der WM: In der russischen Hauptstadt deutet nur wenig auf das Großereignis im Sommer hin
Eiseskälte im Sonnenlicht erstrahlen. An einer zugigen Ecke – im Schatten der hohen Mauern des Kremls und neben der lärmenden achtspurigen Hauptverkehrsstraße „Mokhovaya“– haben sie einen Parcours auf Holzbohlen aufgebaut: Aufsteller zeigen die zehn WMSpielorte mit ihren architektonischen Wahrzeichen, dazu informiert eine Tafel über die teilnehmenden Nationen.
Aber kaum ein Passant bleibt stehen. Nur die Statue mit dem Wolf „Zabivaka“animiert einzelne vorbei hastende Eltern, ein schnelles Handyfoto mit ihrem Nachwuchs und dem WM-Maskottchen zu schießen. Ansonsten nehmen auch die dahinschreitenden Uniformierten mit Pelzmütze, die als Aufpasser für diesen Teil der Stadt abgestellt sind, kaum Notiz von diesem Ort – dem Einzigen, der momentan im repräsentativen Zentrum der Hauptstadt auf das Turnier im Sommer hinweist.
Nun ist das kein Kriterium für Desinteresse an der WM. Schon gar nicht in einer Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole wie Moskau, die als politisches und kulturelles Zentrum täglich Ereignisse von Weltrang zelebriert – was ist da im Vergleich der Hinweis auf ein Fußballturnier in 13 Wochen. Dazu sind die aktuell bis zu minus 20 Grad Celsius als Tagestemperatur wenig geeignet dafür, mit Impulsen auf offener Straße Begeisterung zu entfachen. Es sind andere Zeichen eines anstehenden Weltereignisses, die man in Moskau derzeit eher unterschwellig wahrnimmt.
Etwa die Ansagen an AuslandsTouristen von Hotelbediensteten wie Nina Pawlowa, man solle jederzeit auf der Straße persönliche Ausweisdokumente mitführen. „Die Polizei ist besonders stark unterwegs: Wegen der WM im Sommer, die wichtig ist für unser Land“, sagt die Rezeptionistin des Hotels „City Comfort“. Oder die Tatsache, dass nun das Luschniki-Stadion – Austragungsort des Eröffnungsspiels, des Finals und der Auftaktpartie der deutschen Nationalelf gegen Mexiko – durch einen großen Sicherheitsring baulich komplett abgeriegelt ist. Die monumentale Architektur und das weitläufige Umfeld der 81000 Zuschauer fassenden Arena südwestlich vom Stadtzentrum erinnern an das Berliner Olympiastadion – abgesehen von der großen Lenin-Statue auf dem Vorplatz der Haupttribüne. Nur am Ausgang der Metro-Station werkeln Arbeiter noch fleißig, ansonsten ist Luschniki nach drei Jahren Umbau bereit für die WM.