Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sehr alt und dennoch äußerst lebendig
Lokalrunde Der Gasthof Stern in Gersthofen besitzt bayerischen Charme. Dort kochen Vater und Sohn. Bei beiden stehen Tradition, Familie und gutbürgerliche Küche im Mittelpunkt / Serie (7)
Gersthofen Beim Gasthof Stern am Gersthofer Kirchplatz ist vieles ungewöhnlich. Er verfügt nur über eine reduzierte Speisekarte, hat rund 100 Jahre alte Stammgäste und firmiert in der Bevölkerung gleich unter drei Namen. Und über alles ist Geschäftsführer und Küchenchef Michael Seitz sehr stolz.
Doch der Reihe nach. Der Stern ist ein Traditionsgasthaus und Familienunternehmen durch und durch. Er wurde 1898 von Anna Seitz gegründet. Sie machte aus dem ehemaligen Bauernhof eine Stätte zum Essen, Trinken, Kartenspielen und Politisieren. Das Wirtshaus wurde schnell – nicht zuletzt durch seine gute Lage neben der Kirche und die Nähe zum damaligen Lechkraftwerk und zu Unternehmen wie den Farbwerken Hoechst – zu einem örtlichen Fixpunkt. Heute haben in der Küche Vater Josef Seitz und Sohn Michael das Sagen. Letzterer verkörpert mittlerweile die fünfte Generation.
„Die Gastronomie liegt uns im Blut“, verdeutlicht Michael Seitz. Aber auch die Tradition besitze bei ihm einen hohen Stellenwert, ergänzt er. Für ihn hat der Begriff nichts Antiquiertes an sich. Im Gegenteil: „Tradition ist für mich eine lokal und regional überlieferte Ausdrucksform mit kulturellem Wert“, so seine Definition.
Aus dieser Beständigkeit heraus hat sich auch das Speisenangebot entwickelt, das bis heute mit geringen Abwandlungen existent ist. Michael Seitz fasst die Küchenphilosophie so zusammen: „Wir bieten unseren Gästen original bayerische Küche mit frischen, saisonalen Gerichten.“Hier stehen der Jungschweinbraten und die knusprige Schweinshaxe auf Vorbestellung neben Schweinelendchen, Wildgerichten und Fischspezialitäten. Ein weiteres Angebot sei Leber, ob sauer, gebraten oder gebacken, erzählt der Geschäftsführer. Innereien wie diese werden in Gasthäusern kaum mehr angeboten. Vielleicht ein Grund dafür, weshalb sich dieses Gericht im Stern zu einem Klassiker entwickelt hat. „Die Nachfrage ist sehr groß“, stellt der 28-Jährige erfreut fest.
Mit dieser bewusst reduzierten Speisekarte kann der Gasthof nach Überzeugung von Michael Seitz „stets beste Qualität bieten“. Zum Experimentieren gebe es deshalb keinen Anlass. Nichts zu suchen haben in der Küche Fertiggemüse, Geschmacksverstärker oder Tütensuppen. Auch aus der Dose komme nichts auf den Tisch, bekräftigt der junge Küchenchef.
Michael Seitz lernte im Augsburger Hotel Ost das Hotelfach. Später studierte er Hotelbetriebswirt in Heidelberg. Vater Josef ist ausgebildeter Koch. Abgerundet wird das Familienteam mit Mutter Ulrike, die für die Buchhaltung zuständig ist, und Oma Antonie, die sich um die Frühstücksgäste des familieneigenen Hotels kümmert. Die 85-Jährige ist seit sechs Jahrzehnten mit dem Betrieb verbunden und wird von Enkel Michael liebevoll als „guter Geist“des Hauses bezeichnet.
Wie tief die Tradition im Stern drinsteckt, zeigt die Treue der Gäste. 1919 hoben sangesfreudige Bürger im Gasthaus die Chorgemeinschaft Gersthofen aus der Taufe. Noch heute proben deren Mitglieder im Saal. Das Gleiche gilt für den Verein der Naturfreunde. Die Liebe zum Überlieferten zeugt auch eine Skulptur der heiligen Anna. Sie steht zur Erinnerung an die Gasthausgründerin in einer Nische an der Außenwand. Jährlich wird für sie ein Annafest veranstaltet.
Mit Tradition hat es auch zu tun, dass der Stern ununterbrochen seit 1935 die Bierspezialitäten der Augsburger Hasenbrauerei bezieht. Noch eine Langlebigkeit weist der Gasthof auf. Seit mehr als einem halben Jahrhundert kommen dort jährlich jeweils rund 300 Sammler von Brauereiutensilien zusammen und bieten im Saal Bierdeckel, Gläser und Krüge zum Tausch an. „Diese Tauschbörse ist die älteste internationale Veranstaltung in der Stadt Gersthofen“, betont Seitz.
Und was hat es mit den drei Namen auf sich? Michael Seitz lächelt. Ursprünglich habe das Haus unter der Bezeichnung Kirchenwirt firmiert. Schließlich habe man sich auf den Namen Stern geeinigt. Gerne werde der Gasthof in der Bevölkerung aber auch „der Seitz“genannt, berichtet er.
Der Stern in nüchternen Zahlen: Das Gasthaus umfasst 55, die beiden Nebenzimmer 18 und 30 sowie der mit einem Kastanienbaum bepflanzte Biergarten 30 Plätze. Zudem steht
ein Saal für Feierlichkeiten mit bis zu 80 Personen zur Verfügung. Das Hotel wartet mit 30 Betten auf. Im Hof sind rund 40 kostenlose Parkplätze vorhanden.
Nach den Erfolgsfaktoren gefragt, muss Michael Seitz nicht lange überlegen. „Die persönliche und familiäre Betreuung, die Zuverlässigkeit des Teams und die gutbürgerliche Küche tragen maßgeblich zum
Erfolg bei“, sprudelt es aus ihm heraus.
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Öffnungszeiten im Gasthof Stern am Kirchplatz 10 in Gersthofen: Dienstag bis Donnerstag 17.30 bis 23 Uhr sowie Sonntag und Feiertag 9.30 bis 14 Uhr. Freitag und Samstag ist der Gasthof für Veranstaltungen geöffnet. Ruhetag ist am Montag. Reservierungen sind möglich unter der Nummer 0821/491290.