Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Staat reagiert spät auf die Entwicklun­g

- VON JAN KANDZORA jaka@augsburger allgemeine.de

DDoS-Attacken etwa: gezielte, massenhaft­e Aufrufe einer Seite oder eines Servers mit dem Ziel, das System lahmzulege­n. Unternehme­n werden so beispielsw­eise geschädigt, wenn Angestellt­e durch die Attacke nicht arbeiten können. Manchmal werden Betroffene nach einem solchen Angriff auch erpresst.

Oder Anrufe von angebliche­n Microsoft-Mitarbeite­rn, die ihren Opfern vorgaukeln, dass ihre Computer virenverse­ucht seien. Die Anrufer behaupten gerne, dass sie helfen könnten, wenn man ihnen per Fernwartun­gssoftware Zugriff auf das System gewähre und sie online über spezielle Dienste bezahle. Erst gestern meldete die Polizei wieder zwei solcher Betrugsfäl­le in Augsburg, in einem davon wurde eine Frau um einen dreistelli­gen Betrag gebracht. „Da bekommen wir täglich Anzeigen rein“, sagt Ruoff. Die Täter bearbeiten ihre Opfer oft stundenlan­g am Telefon, die Ermittlung­en sind schwierig. Nicht nur in solchen Fällen. Betroffene mögen in Augsburg leben, doch die Täter, die im Internet agieren, sagt der Kriminalha­uptkommiss­ar, sitzen oft im Ausland. Will die Polizei dort Unterstütz­ung von Kollegen bekommen, kann das dauern, sofern es überhaupt klappt. Auch agieren die Täter meist aus der Anonymität heraus, wie auch jene Männer, die nun für die gefälschte­n Internetse­iten verurteilt wurden.

Sie gingen mit großem Aufwand vor. So meldeten sie die Seiten auf Menschen an, die nicht existierte­n. Telefonnum­mern führten ins Nirgendwo; E-Mail-Adressen liefen auf Namen von Personen, die es nicht gab. Die Täter nutzten Computerse­rver im Ausland, gaben falsche Personalie­n an und eröffneten auch bei deutschen Banken Konten unter falschem Namen.

Doch einige Spuren, welche die Seiten damals, zwischen März 2013 und Februar 2014, hinterließ­en, führten die Polizei in den Augsburgen­annte ger Raum. Die Beamten ermittelte­n rund 2000 Opfer. Angeklagt waren die beiden Männer aus der Region schließlic­h wegen dutzender Seiten. Auf ihnen wurden Elektroart­ikel, Hardware für Computer, Medikament­e und auch Dopingmitt­el wie Anabolika angeboten. Das Gericht sah es am Ende im Fall von vier der gefälschte­n Seiten als erwiesen an, dass die beiden 31-Jährigen sie erstellt und betrieben hatten. Beide Angeklagte­n hatten die Vorwürfe bestritten. Einer stellte sich als Handlanger eines anonymen Nutzers eines Online-Forums dar, der andere wies von sich, Fake-Shops erstellt oder betrieben zu haben.

Verteidige­r Klaus Rödl forderte ein Jahr Haft auf Bewährung wegen Geldwäsche für seinen Mandanten, Verteidige­r Dominik Hofmeister einen Freispruch für den anderen Angeklagte­n. Das Gericht glaubte den Schilderun­gen der Angeklagte­n allerdings nicht. Claus Pätzel, Vorsitzend­er Richter der 1. Strafkamme­r, sagte, die beiden hätten eine „enorme kriminelle Energie“besessen, es handele sich um einen „groß angelegten Betrug“. Um ihn aufzuziehe­n, die täuschend echt aussehende­n Seiten etwa in Windeseile bauen zu können, benötigten die Angeklagte­n durchaus Fähigkeite­n. Warum man nicht versuche, damit auf legalem Wege etwas zu tun, erschließe sich nicht, sagte Pätzel. »Kommentar

Es ist nicht verwunderl­ich, dass es mittlerwei­le spezielle Kommissari­ate gibt, die sich um Straftaten im virtuellen Raum kümmern. Ebenso wenig, dass in Bamberg eine eigene Zentralste­lle eingericht­et wurde, die sich als eine Art staatsanwa­ltliche Sondereinh­eit darstellen lässt und die bayernweit zuständig ist für herausgeho­bene Ermittlung­sverfahren im Bereich der Internetkr­iminalität.

Erstaunlic­h ist eher, wie lange es dauerte, bis derartige Strukturen geschaffen wurden. Erst seit März 2017 hat jede Kripo-Inspektion im Freistaat ein eigenes Kommissari­at für Internetst­raftaten, die Zentralste­lle in Bamberg existiert immerhin seit 2015. In anderen Bundesländ­ern sieht es nicht viel anders aus. Als wäre es ein neuartiges Phänomen, dass sich Delikte im Internet abspielen, dort Menschen ebenso betrogen, bedroht oder erpresst werden wie abseits des Netzes auch. Wie sollte es auch anders sein? Je digitaler das Leben wird, desto mehr verschiebt sich eben auch die Kriminalit­ät in diesen Bereich.

Es ist daher gut, dass der Freistaat mittlerwei­le merklich auf diese Entwicklun­g reagiert, das Augsburger Polizeiprä­sidium etwa zuletzt Informatik­er einstellte, die die anderen Beamten unterstütz­en sollen. Die Spurensuch­e im Netz ist auch für die Experten der Polizei

Bei Angeboten im Netz lieber genau hinsehen

eine mühsame und nicht selten unergiebig­e Arbeit, zumal die Maschen der Kriminelle­n oft ebenso raffiniert wie dreist sind. Die „Fake-Shops“, um die es nun vor dem Landgerich­t ging, sind da nur ein Beispiel. Die Internetse­iten trugen Namen, die echten Versandhän­dlern ähnelten, sie tauchten bei Google-Anfragen weit vorne auf, sie wirkten echt. Und die Identität der Betreiber war beinahe perfekt verschleie­rt.

Der Hinweis an Kunden, bei Angeboten im Netz lieber etwas genauer hinzuschau­en, ist sicher nicht falsch, allerdings kann man auch nicht von jedem Nutzer erwarten, dass er derartigen kriminelle­n Aufwand direkt durchschau­t.

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Fotos: Silas Stein, Bernd Hohlen Das Internet eröffnet Nutzern ungeahnte Möglichkei­ten. Doch leider nutzen es immer wieder auch Kriminelle für ihre Machenscha­ften.
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Klaus Ruoff beschäftig­t sich bei der Poli zei mit Internet Kriminalit­ät.
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