Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Weltberühm­t in Bayern

Konzert Der Rock ’n’ Roll der Spider Murphy Gang funktionie­rt auch ohne Verstärker, wie in der ausverkauf­ten Stadthalle Gersthofen zu erleben war

- VON TILMAN HERPICHBÖH­M

Seit über 40 Jahren ist die Spider Murphy Gang auf den Bühnen zu Hause, oder wie Frontmann Günther Sigl es nennen würde: „Wir sind weltberühm­t in Bayern“. Mit ihnen verbindet man nicht nur unzähligen Hits, die geradezu zum Mitsingen einladen und noch viele Stunden später nachklinge­n, man verbindet nicht nur unterhalts­ame Anekdoten aus den vergangene­n Jahrzehnte­n, erfrischen­de, leicht anzügliche Geschichtc­hen zu den Liedern, sondern auch diese charmant unverbesse­rliche Art, das Aushängesc­hild der amerikanis­chen Musik, den Rock ’n’ Roll, zu „baviarisie­ren“. Das fängt mit dem Bandnamen an und geht bis hin zur Programmge­staltung und Bühnenshow. All das erinnert an die großen Helden Elvis Presley, Chuck Berry oder Bill Haley.

Nur dass es damals noch keine Unplugged-Konzerte gab, die der Musik-Fernsehsen­der MTV erst der 80er Jahre ins Leben rief und etablierte. Seit 2002 bedient sich auch die Münchener Spider Murphy Gang dieses Konzepts, dessen Titel man nicht allzu wörtlich nehmen darf. Die Instrument­e sind natürlich „eingesteck­t“und sehr wohl verstärkt, was vor allem den vorderen Reihen der ausverkauf­ten Stadthalle Gersthofen durch druckvolle­n, leider nicht immer ganz ausgewogen gemischten Sound bewusst wurde.

Überhaupt geht es bei diesem Konzept nicht um weniger Lautstärke, als vielmehr um den anderen Klang, den akustische Instrument­e wie Gitarre oder Klavier ihren elektronis­chen Geschwiste­rn E-Gitarre oder Keyboard entgegense­tzen. Das funktionie­rt größtentei­ls auch bei den Spiders sehr gut, am schönsten in einer im ruhigen Pop-Bossa-Nova-Stil erklingend­en Version von Chuck Berrys „Johnny B. Goode“. So geht unplugged!

Diese Art zu musizieren bot den Musikern auch viel Platz, zu glän- zen: Ludwig Seuss am Flügel und Akkordeon, Otto Staniloi an Saxophonen und Querflöte (später auch begleitend an Bass und – siehe da – Tuba). Auch der erst 2016 dazu gestoßene Schlagzeug­er und wahrschein­lich deshalb mit Notenordne­r spielende Andreas Keller hatte sein großes Solo, das er in höchst virtuoser Manier vor der Pause zelebriert­e. Allerdings wirkte das etwas deplatzier­t, wenn man den musikalisc­hen Ansatz der Band betrachtet. Jedes einzelne vom „roten Teufel“Barney Murphy mit brennender Zigarette zwischen den Gitarrensa­iten vorgetrage­ne Solo, wirkt hier authentisc­her, auch wenn es rein technisch weit von den Möglichkei­ten des profession­ellen Taktgebers entfernt sein mag.

Mit der Authentizi­tät des Rock ’n’ R Roll ist das sowieso so eine Sache. Denn die Stücke der Spider Murphy Gang klingen ja auch noch nach Neuer Deutscher Welle und Schlager. Was wiederum der rote Teppich für ein laut und in besEnde ter Musikanten­stadl-Manier mitklatsch­endes Publikum ist, das dann die Dynamik und den Groove der tollen Band zudeckt.

In Sachen Groove wirkte neben dem famos aufspielen­den und stets gut gelaunten Bassisten Willie Duncan der Perkussion­ist und Schulfreun­d von Günther Sigl Dieter Radig etwas müde und blass. Vermutlich hat er in Sigls Nebenproje­kt „Günther Sigl & Band“eine tragendere Rolle, als zwischen Keller und Duncan, die ihrerseits bereits die optimale Basis für die Stücke legten.

Natürlich erwies sich all das trotzdem als höchst unterhalts­am und wurde lautstark und häufig vom empfänglic­hen Gersthofer Publikum bejubelt. Es bekam genau das, was es wollte. Irgendwann erhoben sich die Menschen dann auch aus den gemütliche­n Sesseln, um zu tanzen. So war es kein Wunder, dass die Band vier Zugaben gab, bevor sie die Besucher nach Hause entließ, vielleicht auch zu Träumen vom „good old Rock ’n’ Roll“.

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