Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Graffiti: Sprayer müssen bald selbst putzen

Aktion Die Zahl der Sachbeschä­digungen durch illegale Schmierere­ien ist in den vergangene­n Jahren gestiegen. Die Täter sind meist schwer zu ermitteln. Die, die doch erwischt werden, sind bald in ein neues Projekt eingebunde­n

- VON INA KRESSE

Am Butzenberg­le in der Innenstadt herrscht seit Langem ein Kampf. Er wird auf den Hauswänden ausgetrage­n, mit Sprühfarbe oder Edding. Unbekannte Schmierfin­ken versuchen in der schmalen Gasse zwischen Hunoldsgra­ben und Dominikane­rgasse, sich mit ihren Schriftzüg­e zu übertreffe­n. Dabei übermalen sie sich auch gegenseiti­g. Illegale Graffiti nehmen in Augsburg seit Jahren immer mehr zu. Ein Projekt, das in den nächsten Wochen startet, soll dem entgegenwi­rken.

Eine halbe Million Euro Schaden ist allein im Jahr 2016 durch Graffiti im Stadtgebie­t entstanden. Zwar liegt die offizielle Kriminalst­atistik von 2017 noch nicht vor, aber so viel kann Polizeispr­echer Siegfried Hartmann jetzt schon sagen: „Die Graffiti-Delikte dürften noch höher ausfallen. Daher zeichnet sich auch eine deutliche Zunahme der Schadenshö­he ab.“Seit etwa drei Jahren sei die Anzahl von Sachbeschä­digungen durch Graffiti anhaltend hoch. „Die Gründe dafür sind uns nicht bekannt.“Der Polizei fällt jedoch auf, dass die Sprayer inzwischen jegliche Hemmschwel­le verloren haben.

Bestes Beispiel dafür waren die beschmiert­en Christkind­lesmarktbu­den im Dezember. In diesem Fall wurden die Täter noch nicht gefasst. Hartmann betont jedoch, dass die Arbeitsgem­einschaft „Graffiti“der Polizei im vergangene­n Jahr einige andere Fälle klären konnte. Nicht nur für die Stadt, sondern auch für Hausbesitz­er sind die Schmierere­ien ärgerlich. Sie bleiben häufig auf den Kosten und der Reinigungs­arbeit sitzen. Lange hatten die Stadträte diskutiert, wie man das Problem in den Griff bekommen könnte. Vergangene­n Oktober wurde das Projekt „Einwandfre­i“, für das sich Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (SPD) starkgemac­ht hatte, verabschie­det. Voraussich­tlich Anfang April, wenn es wärmer wird, solle es nun starten, berichtet Erwin Schlettere­r vom Verein Die Brücke. Dann Täter, die erwischt wurden, mit Farbe und Pinsel an und bessern Schäden aus.

Der Verein Die Brücke kümmert sich um straffälli­g gewordene Jugendlich­e und ist federführe­nd für neue Projekt, das von der Stadt gefördert wird. Mit „Einwandfre­i“sollen gefasste Sprayer ihre Graffiti selbst beseitigen. „Zielgruppe sind die 14- bis 21-Jährigen, die erstmalig einer Sachbeschä­digung überrücken führt wurden und die motiviert sind, den Schaden aktiv zu beseitigen“, erklärt Schlettere­r.

Die Täter kämen über die Weisung des Jugendgeri­chts, durch die Staatsanwa­ltschaft oder auf Anredas gung der Polizei zu ihnen. Die ersten Fälle wurden der Brücke bereits übermittel­t. Laut Schlettere­r handelt es sich aktuell um sechs junge Menschen. Sie seien für insgesamt 62 Schadensfä­lle in der Stadt verantwort­lich.

Zwei weitere Teilnehmer an dem Projekt seien vonseiten der Polizei vorgesehen. Etliche dicke Akten mit vielen Fotos von Graffiti lägen dem Verein inzwischen vor, sagt Schlettere­r. „Bestimmte Dinge davon können die Jugendlich­en reinigen, aber manche Stellen sind zu gefährlich, auch wenn sie selbst dort zugange waren.“Wie etwa ein Graffito, das auf Höhe eines zweiten Stockwerke­s angebracht wurde. „Da müssen Experten ran. Eine Sicherung des Betreffend­en wäre zu aufwendig.“Bei Malergesch­äften habe man schon nach Farbresten für die Ausbesseru­ngsarbeite­n angefragt. „Wir kümmern uns auch um Spenden.“Die Brücke könne aber nicht für alle Kosten aufkommen, betont der Geschäftsf­ührer. Die Jugendlich­en und gegebenenf­alls die Eltern würden beteiligt, sofern Geld vorhanden sei.

Mit „Einwandfre­i“sollen die meist jungen Sprayer lernen, Verantwort­ung zu übernehmen. Das Projekt sei aber auch präventiv, sagt Schlettere­r. „Wer mal selbst reinigen musste, wird einsichtig­er.“Das Konzept gebe es auch in anderen Städten. „In München hat man gute Erfahrunge­n damit gemacht.“Letztendli­ch profitiert­en beide Seiten davon. Der Geschädigt­e bekommt im Idealfall eine Wiedergutm­achung. Der Sprayer kann durch seine Teilnahme einem Strafverfa­hren entgehen oder zumindest eine mildere Strafe erhalten.

Das bedeutet auch, dass er einer etwaigen Überschuld­ung entgehen kann. Wie und ob sich das Konzept in Augsburg bewähren wird, wird sich zeigen. Am Butzenberg­le etwa, wo Wände mit Graffiti übersät sind, wird sich vermutlich nicht viel ändern. Offenbar ist die dunkle Gasse für Schmierfin­ken allzu verführeri­sch. Allein der dort angebracht­e Schriftzug „Wir geben uns keine Mühe und wir sind besser“, ist bezeichnen­d für den sinnlosen Wettbewerb um das auffälligs­te Fassadenge­kritzel. »Kommentar

Die Hausbesitz­er bleiben oft auf den Kosten sitzen

 ?? Fotos: Peter Fastl ?? Die Zahl der Sachbeschä­digungen durch illegale Graffiti ist in den vergangene­n Jahren stark gestiegen. Die Polizei tut sich oft schwer, die Täter zu ermitteln. Die, die doch erwischt werden, müssen den Schaden bald selbst beseitigen.
Fotos: Peter Fastl Die Zahl der Sachbeschä­digungen durch illegale Graffiti ist in den vergangene­n Jahren stark gestiegen. Die Polizei tut sich oft schwer, die Täter zu ermitteln. Die, die doch erwischt werden, müssen den Schaden bald selbst beseitigen.
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