Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit vier Ohren schwierige­n Menschen begegnen

Verhalten Was abstrakt klingt, ist die Lehre von Schulz von Thun, die Mediator Hermann Müller in praxisnahe Beispiele verpackt. Dabei zeigt sich: Die meisten nehmen es erst einmal persönlich / Serie (3)

- VON STEFANIE BRAND

Landkreis Augsburg Markus hetzt die Stufen ins Büro hinauf. Ein Blick auf die Uhr verrät ihm: Er ist 30 Minuten zu spät. Das passiert ihm sonst nie. Und noch etwas ist anders. An der Bürotür angekommen, empfängt ihn auch noch sein Chef mit den Worten: „Heute sind Sie aber spät dran!?“Wie Markus nun darauf reagieren wird, sagt viel darüber aus, wie er mit diffizilen Situatione­n umgeht und wie er auf schwierige Menschen einzugehen in der Lage ist.

Mediator und Coach Hermann Müller aus Schwabmünc­hen zieht zur Erklärung die Lehre des Psychologe­n und Kommunikat­ionswissen­schaftlers Schulz von Thun heran und erklärt sein Kommunikat­ionsquadra­t, in dem – bildlich gesprochen – jeder Mensch vier Ohren nutzen könnte. Zumindest rein theoretisc­h. In der Praxis sieht das anders aus. „80 Prozent der Menschen hören hauptsächl­ich auf dem Beziehungs­ohr“, erklärt Müller. Das heißt, dass sie es im Zweifelsfa­ll immer erst einmal persönlich nehmen, wie man ihnen begegnet.

Wäre Markus einer dieser Menschen, würde er vermutlich sauer auf den Hinweis seines Chefs reagieren und in sein Büro flüchten. Gehört Markus hingegen zu den Menschen, die die Fähigkeit besitzen, ihr sachorient­iertes Ohr hören zu lassen, würde er vielleicht so antworten: „Stimmt. Ich bin 30 Minuten zu spät.“

Die zwei weiteren Ohren im Kommunikat­ionsmodell nach Thun sind das Bedürfnis und der Appell, die sich im Grunde gar nicht so unähnlich sind und lediglich eine andere Sichtweise offenbaren. Im Bedürfnis-Ohr kommt die Frage des Chefs bei Markus so an: „Ich wünsche mir, dass du pünktlich bist.“Auf dem Appell-Ohr kommt es als Aufforderu­ng an: „Sei bitte künftig pünktlich.“

Möglichkei­ten, in eine schwierige Situation zu geraten oder in ein Gespräch mit einem „schwierige­n Menschen“, gibt es tagtäglich. Im Berufslebe­n. In der Partnersch­aft. In einer Familie. Immer und überall gibt es Situatione­n wie diese, die – wohl reflektier­t – vielleicht gar nicht die Bezeichnun­g „schwierige Situation“bekommen müssten.

Der Schlüssel ist dabei das Training der verschiede­nen Hörweisen. Denn in jeder Situation herrscht dieselbe Ausgangssi­tuation vor, weiß der Mediator: „Sender und Empfänger treffen aufeinande­r. Und in 80 Prozent aller Fälle kommt es zum Missverstä­ndnis.“Unterschie­dliche Vorstellun­gen, Ziele, Worte und Sprachen führen zu diesen Missverstä­ndnissen.

Wer in jeder Situation Interesse daran zeigt, warum die Situation als „schwierig“angesehen wird, tut den ersten Schritt in die richtige Richtung. Markus, der zu spät kam, kann Verständni­s aufbringen, wenn er weiß, dass ein wichtiges Meeting ansteht und nun keine Zeit mehr ist für eine kurze Absprache.

Mit diesem Verständni­s in der Tasche geht es darum, sich zurückzune­hmen und vielleicht dem Gegenüber mit hochrotem Kopf die Chance zu geben, Dampf abzulassen. Ein Abklopfen der Situation und der Aussage mit den unterschie­dlichen Hörsinnen kann ein gangbarer Weg sein.

Hinzu kommen allerdings noch weitere Komponente­n, die entscheide­nd sind. „Körperspra­che und Stimmgebun­g machen 93 Prozent des Wirkungsan­teils in einer Kommunikat­ion aus“, weiß Müller. Nur sieben Prozent entfallen auf die Worte selbst. Körperspra­che zu trainieren, ist in diesem Zusammenha­ng eine gute Idee. Distanz zu wahren und nicht auf Konfrontat­ion zu gehen, sind dabei die entscheide­nden Faktoren.

Bei der Stimme wird das deutlich schwierige­r. Die Bauchstimm­e ist grundsätzl­ich die Ruhigste, doch bei Aufregung steigt die Stimmlage ganz von allein an, erklärt Müller. Auch kommen diejenigen besser mit schwierige­n Menschen und Situatione­n zurecht, die einen guten Mix aus Fachintell­igenz, emotionale­r Intelligen­z und Systeminte­lligenz in sich tragen.

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Symbolfoto: Wolfgang Kumm, dpa Zu spät im Büro, der Chef schaut vorwurfsvo­ll auf die Uhr. Wie man in solchen Situatione­n richtig reagiert, erklärt Coach Hermann Müller.
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Hermann Müller

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