Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Auch ein Kind ist unter den Toten
Archäologie Die Ergebnisse der Untersuchung der Thierhauptener Skelettfunde liegen vor. Sogar die Amputation eines Unterschenkels wurde dabei entdeckt. Eines ist aber immer noch ungewiss
Thierhaupten Als im November 2017 bei archäologischen Grabungen in Thierhaupten Skelette gefunden wurden, stand man vor der Frage: Wer waren diese Menschen? In welchem Jahrhundert sind sie gestorben? Und woran? Vier Monate später kann zumindest ein Teil dieser Fragen beantwortet werden, denn seit Kurzem liegt dem Thierhauptener Bürgermeister Toni Brugger der Bericht des archäologischen Fachbüros vor. Demnach handelt es sich um zehn Erwachsene, einen Jugendlichen und ein Kleinkind und damit um zwölf Menschen, die an diesem Ort bestattet wurden, wo derzeit gerade der neue Kindergarten errichtet wird.
Gewaltsam zu Tode gekommen sind sie auf jeden Fall nicht, folgert Bürgermeister Brugger aus dem Bericht des Fachbüros. Dort ist zwar erwähnt, dass bei einem der Individuen, einem Mann im Alter zwischen 40 und 60 Jahren, der rechte Unterschenkel amputiert wurde. Doch die beiden Anthropologinnen Kristin von Heyking und Franziska Immler, die die Untersuchungen vornahmen, schreiben auch, dass die Amputation ohne starke entzündliche Prozesse verheilt ist und nicht unmittelbar zum Tod des Mannes geführt hat. Eine Amputation, zumal eine verheilte, beobachten die Archäologen bei ihren Funden übrigens sehr selten.
Der Erhaltungszustand der Knochen ist überwiegend sehr gut bis gut, nur bei vier Skeletten ist er schlecht. Deshalb sind die altersund geschlechtsspezifischen Merkmale meist vorhanden. Von den erwachsenen Toten konnten sechs als männlich, drei als weiblich und einer als „eher weiblich“identifiziert Der Jugendliche ist als „eher männlich“eingestuft. Lediglich das Geschlecht des Kindes, dessen Alter auf ein oder zwei Jahre geschätzt wird, konnte wegen fehlender Merkmale an Becken und Schädel nicht bestimmt werden.
Die Individuen wurden auch auf pathologische Veränderungen untersucht. Neben der bereits erwähnten Amputation wurde dabei ein verheilter Bruch im rechten Unterarm entdeckt sowie Arthrosen der großen Gelenke und der Wirbelsäulen. Karies und Zahnstein fanden die Anthropologinnen ebenfalls.
Der Mann mit dem amputierten Unterschenkel war zwischen 40 und 60 Jahre alt. Der Jugendliche war zwischen 13 und 15 Jahre alt und hatte eine leichte Cribra orbitalia, das sind siebartige Löcher in den Augenhöhlendächern. Als Ursache dafür galt lange Zeit eine Anämie aufgrund von Eisenmangel, es kommen aber auch andere Mangelerscheinungen wie Vitamin B12, Vitamin C oder Vitamin D in Frage, ebenso Entzündungsreaktionen. Bei dem Kleinkind wurden keine pathologischen Auffälligkeiten gefunden.
Die Frauen sind im Alter zwischen 20 und 40 Jahre alt, die anderen Männer ebenfalls zwischen 20 und 50 Jahre.
Was am allermeisten interessierwerden. te, nämlich wann die Menschen gestorben sind, konnte leider noch nicht ermittelt werden. Nach Angaben von Bürgermeister Toni Brugger wurde für diese Untersuchung zwar Knochenmaterial in üblichem Umfang zur Verfügung gestellt, doch es enthielt zu wenig von einer speziellen, dafür benötigten Substanz. Nun müsse die Untersuchung erneut gemacht werden, diesmal mit mehr Knochenmaterial. Wann das Ergebnis vorliegt, ist ungewiss. Es könnte wieder ein paar Monate dauern.
Bei dem Bestattungsort könnte es sich um einen früheren Friedhof handeln. Bürgermeister Brugger verweist auf historische Schriften, wonach die Toten in Thierhaupten eine Zeit lang an zwei unterschiedlichen Orten bestattet wurden, je nachdem, ob sie rechts oder links der „Pitz“(heute Bitz) gewohnt haben. Auf dem Friedhof St. Georg wurden die rechts der Pitz Verstorbenen beerdigt, auf dem Friedhof bei der Klosterkirche die links der Pitz Verstorbenen.
Die St. Georgskirche gibt es heute nicht mehr. Sie war kurz nach den Ungarneinfällen erbaut worden, wurde aber 1812 zugunsten der Klosterkirche aufgegeben, weil eine Renovierung zu teuer gekommen wäre.