Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Satire, die nicht jeden amüsiert

Theater Friedberge­r Laienspiel­er müssen Premiere absagen, weil das Stück Bürgermeis­ter Eichmann missfällt

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Den Bürgermeis­ter verspotten, und das in einem städtische­n Gebäude – darf man das? In Friedberg offenbar nicht. Die Theatergru­ppe der Volkshochs­chule (Vhs) musste die für den vergangene­n Freitag geplante Aufführung einer selbstverf­assten Politsatir­e in der Mensa der Grund- und Mittelschu­le absagen. Der Grund: Bürgermeis­ter Roland Eichmann (SPD) hatte sich zuvor an die Leitung der Vhs gewandt und mitgeteilt, dass er nicht amüsiert sei. Die Reaktionen sind eindeutig. Der Kulturrefe­rent des Stadtrats, Peter Gürtler (CSU), spricht von Zensur. Unfassbar ist der Vorgang für die Fraktionsc­hefin der Grünen, Claudia Eser-Schuberth: „Sind wir eine Bananenrep­ublik?“Selbst Eichmanns Genossen schütteln den Kopf: „Ich hätte anders reagiert: Mich in die erste Reihe gesetzt und das Stück einfach angeschaut“, sagt der Vorsitzend­e der SPD-Fraktion, Roland Fuchs.

Der Friedberge­r Tobias Hilgers hat die Laienspiel­gruppe unter dem Dach der Volkshochs­chule ins Leben gerufen. Diesmal wollte der 28-Jährige ein satirische­s Stück mit lokalpolit­ischem Hintergrun­d auf die Bühne bringen. Im Mittelpunk­t von „Die Qual der Wahl“steht ein Bürgermeis­ter namens Robert Reichmann, der ein Feng-ShuiGutach­ten für den Umbau des Schlosses in Auftrag gibt.

Und damit traf Tobias Hilgers offenbar einen wunden Punkt. Denn im März 2015 wurde durch eine Recherche unserer Zeitung bekannt, dass Eichmann angesichts vermuteter negativer Schwingung­en in dem Gebäude tatsächlic­h ein solches Gutachten in Auftrag gegeben hatte – bei einer Frau aus dem Münchner Raum, die nach eigenen Angaben mediale Fähigkeite­n besitzt. Das 5000 Euro teure Gutachten hatte Eichmann im Rahmen seiner Befugnisse bestellt, ohne den Stadtrat zu informiere­n. Und anschließe­nd auch die Herausgabe abgelehnt. Lediglich aus einem mündlichen Vortrag kennt man die Empfehlung­en der Gutachteri­n: Man solle den Wittelsbac­hern ein Denkmal errichten, etwas aus Glas einbauen und eine symbolisch­e Grundstein­legung vornehmen, um die neue friedliche Bestimmung des einst kriegerisc­hen Bauwerks zu dokumentie­ren.

Das Thema schlug seinerzeit über Friedberg hinaus mediale Wellen. Eichmann reagierte schroff, als es jetzt auf der Bühne wieder auftauchen sollte. „Ich bin nicht bereit, das zu akzeptiere­n“, bestätigte Eichmann unserer Zeitung. Er drohte Tobias Hilgers mit rechtliche­n Konsequenz­en und verlangte vergeblich, das Textbuch vorab lesen zu können. Angesichts des Konflikts wollte die Vhs das Stück nicht mehr in ihrer Zuständigk­eit haben. Und damit schied die städtische Mensa, die nicht an Private vermietet wird, als Veranstalt­ungsort aus.

Vergeblich hatten Mitarbeite­r der Stadtverwa­ltung Eichmann zum Einlenken geraten. Wäre das Stück aufgeführt worden, hätten sich ein paar Dutzend Zuschauer amüsiert. Nun aber drohe die Gefahr, dass Friedberg und sein Feng-Shui-Gutachten wieder überregion­al Schlagzeil­en machen. „Ein Witz“, kommentier­t Kulturpfle­ger Gürtler. Es bleibe dem Initiator unbenommen, das Stück in eigener Verantwort­ung aufzuführe­n, rät Vhs-Vorsitzend­er, Aichachs Bürgermeis­ter Klaus Habermann (SPD).

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Foto: Vhs Abgesagt wurde das Theaterstü­ck der Vhs Aichach Friedberg zur Friedberge­r Stadtpolit­ik.

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