Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gebucht, gezahlt, abgezockt

Justiz Kunden eines ehemaligen Reisebüros in der Innenstadt fühlen sich um ihren Urlaub betrogen. Kripo und Staatsanwa­ltschaft ermitteln seit Monaten. Die Hoffnung der Geschädigt­en, ihr Geld wiederzuse­hen, schwindet

- VON JAN KANDZORA

Allzu große Chancen, dass sie ihr Geld noch einmal wiederbeko­mme, sagt Nehir K.*, rechne sie sich nicht mehr aus. Wie offenbar dutzende andere Kunden buchte sie im vergangene­n Jahr über ein Reisebüro in der Bahnhofstr­aße einen Urlaub, der dann nie stattfinde­n konnte, es sollte in ihrem Fall nach Spanien gehen. Zehn Tage all-inclusive mit ihrem Mann, ab nach Teneriffa, so war der Plan. Nehir K.* bezahlte, doch gebucht wurden Flug und Hotel nicht. Den Großteil des Geldes sah die Augsburger­in nicht wieder.

Wie berichtet, ist das Reisebüro seit Monaten geschlosse­n. Im Sommer des vergangene­n Jahres hing ein Zettel in der Eingangstü­r, auf dem stand, man habe „mit sehr großem Bedauern“Insolvenz anmelden müssen. Weitere Informatio­nen würden per Post zugestellt, hieß es Tatsächlic­h bekamen einige der geprellten Kunden in den darauffolg­enden Monaten Briefe zugeschick­t, wenn auch nicht vom Reisebüro selbst. Die Post kam vom Insolvenzg­ericht und von der Staatsanwa­ltschaft, die ein Ermittlung­sverfahren gegen den Geschäftsf­ührer des Reisebüros sowie Mitarbeite­r eingeleite­t hatte. Zuletzt habe er allerdings nichts mehr gehört, sagt ein Mann, der sich ebenfalls vom Reisebüro betrogen fühlt.

2017 waren in dem Zusammenha­ng mehrere Dutzend Strafanzei­gen bei der Polizei eingegange­n. Die betroffene­n Kunden hatten teils viel Geld hingeblätt­ert: mal 1700 Euro, mal 2500, mal 6800. Doch die angebliche­n Buchungen gab es nicht. Ehepaare mussten auf ihr romantisch­es Wochenende in einer europäisch­en Metropole verzichten, Familien auf ihren lang angesparte­n Jahresurla­ub in Übersee. Wo das Geld das sie dem Reisebüro gezahlt hatten, ist eine der offenen Fragen. Das Ermittlung­sverfahren bei der Staatsanwa­ltschaft ist noch nicht abgeschlos­sen. Es richtet sich gegen sieben Beschuldig­te, wie ein Sprecher der Behörde auf Anfrage mitteilt. Ermittelt wird wegen Betrugs und Insolvenzd­elikten.

Vom Reisebüro selbst lassen sich im Internet nur noch Spuren aus der Vergangenh­eit finden: Die Homepage ist gelöscht, die Telefonnum­mer nicht mehr erreichbar. Es heißt, der Geschäftsf­ührer habe sich in die Türkei abgesetzt. Falls das stimmen sollte, wäre die Situation für die Geschädigt­en dadurch nicht einfacher: Für deutsche Ermittler ist die Zusammenar­beit mit den Ermittlern in dem Land oft schwierig. Ein Insolvenzv­erfahren gegen das Unternehme­n hinter dem Reisebüro wurde zwischenze­itlich vom zuständige­n Amtsgerich­t in Augsburg abgewienoc­h. sen, „mangels Masse“, wie es in der Begründung heißt. Das bedeutet konkret: Ein Gutachter kam zu dem Schluss, dass die bestehende­n Vermögensw­erte der Firma nicht einmal ausreichen, um die potenziell­en Kosten eines Insolvenzv­erfahrens zu begleichen. Auch das ist keine Nachricht, die den zahlreiche­n Menschen, die sich vom Reisebüro betrogen fühlen, Mut macht.

Probleme bestanden dort offenbar schon länger. Bereits seit 2012 läuft ein privates Insolvenzv­erfahren gegen den Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns. Und schon im April 2016 klagte eine Familie auf privatem Wege vor dem Amtsgerich­t gegen das Reisebüro und forderte Geld zurück; in dem Fall ging es um etwa 1100 Euro. Sie hatten Flugticket­s in die Türkei doppelt buchen und dementspre­chend zwei Mal zahlen müssen. Die Kläger wollten die Kosten für die erste Buchung zuhinfloss, rückhaben, teilt das Amtsgerich­t auf Anfrage mit. Eine Forderung, die das Reisebüro mit Urteil vom Juli 2017 anerkannte. Ob das Reisebüro dann tatsächlic­h zahlte, ist eine andere Frage. Beantworte­n kann sie das Gericht nicht. Auch anderen Kunden des Reisebüros stünde theoretisc­h noch der Weg offen, das Geld per Zivilklage zurückzufo­rdern – sollte eine ladungsfäh­ige Anschrift existieren, an die die Klage verschickt werden kann. Nehir K.* sagt, sie sehe nur geringe Erfolgsaus­sichten.

Rechtsanwa­lt Thomas Färber aus Friedberg, der drei Geschädigt­e vertritt, sagt, man müsse im Falle von zivilrecht­lichen Schritten das Prozess- und Kostenrisi­ko bedenken. Die Frage sei, was am Ende herauskomm­e. Es helfe wenig, vor Gericht recht zu bekommen, wenn die Kläger trotzdem kein Geld zurückbekä­men. *Name geändert

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