Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schwierige Wohnungssuche
Soziales Zu wenige Angebote, teure Mieten, kaum Sozialwohnungen: Der Markt im Augsburger Land ist schwierig. Interessenten fällt es immer schwerer, bezahlbare Mietobjekte zu finden. Makler erklären, woran das liegt
Zu wenige Angebote, teure Mieten, kaum Sozialwohnungen: Warum es immer schwerer fällt, bezahlbare Mietobjekte zu finden, erklären Makler.
Landkreis Augsburg Sabrina Vogel ist verzweifelt auf der Suche nach einer Wohnung in der Nähe von Emersacker. Die junge Frau, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat ein festes Einkommen und durchstöbert seit Monaten Annoncen. Jetzt hat sie in der Zeitung eine Anzeige aufgegeben. 300 Euro Belohnung wird sie zahlen, wenn ihr jemand eine Wohnung vermittelt.
Wie Sabrina Vogel suchen viele Leute im Landkreis dringend eine Mietwohnung. „Doch die Situation ist angespannt“, sagt Gabriele Müller. Die 55-Jährige betreibt in Neusäß ein Maklerbüro. „Man darf das aber nicht pauschal so sagen, sondern das große Ganze sehen.“Dann könne man die Ursachen für den schwierigen Mietmarkt erkennen.
Die Maklerin stellt fest: „Seit Anfang der 2000er-Jahre hat sich Mietmarkt zu einem Eigentumsmarkt entwickelt.“Investitionen in die Geldmärkte rentierten sich nicht mehr, deshalb kauften die Anleger lieber eine Immobilie. Das Angebot an Mietwohnungen sei deshalb immer mehr geschrumpft.
Auch Daniel Utz kennt diese Entwicklung. Er ist bei der Kreissparkasse Augsburg Leiter des Immobilienvertriebs und sagt: „Heute gibt es einfach zu wenige Mietobjekte.“Er macht zudem auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Auf dem Land gibt es viele ältere Hausbesitzer, die krank sind oder nicht mehr alleine zurechtkommen.“Sie würden gern ihr Eigentum verkaufen und in eine kleinere Mietwohnung ziehen. „Aber die Leute wollen auf dem Land bleiben“, sagt Utz, „doch da gibt es keine Wohnungen.“Und er kennt einen Punkt, der sie Situation weiter verschärft. „Schafft es jemand, eine Mietwohnung zu ergattern, ist das zwar gut für ihn, macht es für andere Interessenten aber noch schwieriger. „Denn nach ihrem Verkauf haben die Leute viel Geld und können höhere Mieten zahlen. Das treibt Preis immer mehr in die Höhe.“Gabriele Müller aus Neusäß geht sogar so weit: „Grob geschätzt haben sich die Mieten seit 2013 verdoppelt.“
Damals habe man etwa 40 Prozent eines durchschnittlichen Einkommens für Wohnkosten eingerechnet. Heute sei man bei 60 Prozent. Das sei für Alleinerziehende oder Senioren mit einer geringen Rente kaum zu stemmen. „Es gibt auch nicht mehr so viele Mieterwechsel. Die Leute wären ja dumm, ihre noch bezahlbare Miete aufzugeben“, sagt die Maklerin aus Neusäß.
Gerade dort spitze sich die Lage zu: „Geschossbau wurde hier vernachlässigt“, erklärt Müller. „Es kaum noch Bauflächen. Und sozialer Wohnraum wird immer knapper. Da muss die Politik endlich etwas unternehmen.“Und auch die Nachbarschaft sei gefragt: Viele Anwohner fühlten sich von hohen Häusern, zu vielen Kindern und Lärm gestört und sträubten sich gegen Sozialwohnungen. Müller fordert deshalb: „Ich sage: miteinander statt gegeneinander. Nur weil man in einer Sozialwohnung lebt, ist man noch lange kein Asozialer.“
Egal wie aussichtslos die Wohnungssuche sei, man solle die Hoffnung nicht aufgeben, sagt Müller. Eine Belohnung anzubieten wie in der Anzeige von Sabrina Vogel, sieht sie aber kritisch: „Das Geld anden zunehmen, wäre für mich sittenwidrig. Ich finde das unmoralisch, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.“Dem schließt sich auch Ingo-Sylvio Wattosch von der Maklervereinigung Bayern an. Er gibt Tipps, wie man seine Chancen bei der Wohnungsvermittlung stattdessen verbessern kann: „Eine ordentliche Anfrage verschicken, überpünktlich zur Besichtigung kommen, die Unterlagen in Form einer Bewerbungsmappe einreichen und nachweisen, dass man die Miete zahlen kann.“
Für Alleinerziehende und Rentner sei das oft schwierig. „Sie sollten sich jemanden suchen, der eine Bürgschaft übernimmt. Oder die ergibt wachsenen Kinder mit in den Mietvertrag nehmen.“Gabriele Müller geht sogar noch einen Schritt weiter: „Man müsste die ganze Wohnsituation grundlegend verändern. Die Bürger müssten sich wehren, damit die Politik endlich etwas unternimmt.“Für sie heißt ein Lösungsvorschlag: Mehrgenerationenhäuser. „Da würden Jung und Alt profitieren.“Für Sabrina Vogels Vater ist das gerade keine Option. Seine Tochter sei wegen einer Trennung vor Kurzem wieder bei den Eltern eingezogen. „Das ist aber nur eine Notlösung“, sagt er. Er hofft sehr, dass sich jemand auf die Anzeige meldet. Die 300 Euro würde er dafür gerne zahlen. »Kommentar