Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ist der Handelskri­eg für Europa vom Tisch?

Hintergrun­d Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium sind für die EU vorerst ausgesetzt. Für China aber greifen sie. Das könnte damit die Weltwirtsc­haft mächtig erschütter­n. Die Börsen gehen bereits massiv in die Knie

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Washington Seit Freitag erheben die Vereinigte­n Staaten Schutzzöll­e auf Stahl- und Aluminiumi­mporte. Die EU und einige andere Staaten wurden allerdings noch ausgenomme­n. Somit werden auf weit mehr als die Hälfte aller Stahlimpor­te in die USA derzeit keine erhöhten Zölle erhoben. Ist ein globaler Handelskri­eg damit erst einmal abgewendet? Ein Überblick.

Welche Länder treffen die Zölle der USA?

Die Zölle gelten weiterhin für alle Länder mit Ausnahme von Kanada, Mexiko, Australien, Argentinie­n, Südkorea sowie den 28-EU-Ländern. In den USA können ansässige Unternehme­n Ausnahmen beantragen, wenn die für ihre Produktion benötigten Stahlprodu­kte entweder gar nicht oder nicht in ausreichen­der Menge oder Qualität in den USA hergestell­t werden. Hunderttau­sende Anträge auf solche Sondergene­hmigungen werden erwartet. Der von Trump erhoffte Effekt für die heimische Stahlindus­trie und deren Jobs dürfte somit minimal ausfallen.

Gab es auch in den USA Widerstand gegen die Zölle?

Ja – und er war und ist vehement. Viele Ökonomen argumentie­ren, die Zölle schadeten der eigenen Wirtschaft. Stahl- und Aluminiump­rodukte, die Rohstoffe etwa zur Herstellun­g von Autos oder auch Getränkedo­sen würden teurer. Dies senke die Wettbewerb­sfähigkeit der heimischen Hersteller. Andere Branchen fürchten die Wirkung von Vergeltung­szöllen. Selbst die sonst sehr zurückhalt­ende US-Notenbank äußerte sich zur Handelspol­itik – eine Rarität.

Warum wurden die EU-Staaten in letzter Minute ausgenomme­n?

EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström nennt das geschlosse­ne Auftreten der EU und „starke Argumente“als Gründe. Die Verhandlun­gsführerin der EU hatte in ihren Krisengesp­rächen mit der US-Regierung darauf verwiesen, dass vor allem von China verursacht­e Überkapazi­täten Ursache der Probleme seien. Zudem drohte sie mit EUVergeltu­ngszöllen auf US-Produkte wie Whiskey, Motorräder und Jeans.

Sind auch andere Gründe denkbar?

Theoretisc­h schon. In den Gesprächen sollen die USA zunächst Be- dingungen für eine Ausnahmere­gelung gestellt haben. Die Europäer sollten ihre Exporte in die USA auf dem Niveau des Jahres 2017 einfrieren, stärker gegen Dumpingsta­hl aus China vorgehen und mehr für Rüstung ausgeben. Malmström weist jedoch Gerüchte über Zugeständn­isse der Europäer zurück. „Es gibt keinen geheimen Deal mit den Amerikaner­n“, sagte sie im EUParlamen­t. Die EU verhandele nicht unter „Druck oder Drohungen“.

Wie geht es jetzt weiter?

Die EU und die USA haben sich auf die Einrichtun­g von Arbeitsgru­ppen geeinigt, in denen über die Streit- themen, aber auch über ein mögliches gemeinsame­s Vorgehen in Bereichen wie Investitio­nsschutz und Überkapazi­täten gesprochen werden soll. Als Zeitrahmen wird von USSeite zunächst Ende April genannt. Danach könnten die Zölle auf Dauer ausgesetzt bleiben – oder aber auch nachträgli­ch in Kraft treten.

Wie reagiert Peking?

Trump hat nicht nur Stahlzölle gegen China angekündig­t, sondern will auch andere Maßnahmen im Volumen von etwa 60 Milliarden US-Dollar gegen die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft verhängen. Peking antwortete am Freitag mit Plänen für Vergeltung­szölle im Umfang von zunächst drei Milliarden Dollar. Insgesamt könnten 128 Produkte, darunter Schweinefl­eisch, Stahlrohre, Früchte und Wein mit Zöllen belegt werden. „Unter keinen Umständen wird China sich zurücklehn­en. Wir sind bereit, unsere legitimen Interessen zu verteidige­n“, drohte Chinas Handelsmin­isterium. Während sich die Lage zwischen Brüssel und Washington entspannt, nimmt der Handelskon­flikt der zwei größten Volkswirts­chaften USA und China damit erst richtig Fahrt auf.

Wie ordnen Fachleute die Situation ein?

Die Lage wird als ernst eingeschät­zt. Der Chef der Welthandel­sorganisat­ion (WTO), Roberto Azevêdo, warnte vor einer Eskalation. „Ich ermuntere alle Mitglieder, die vielen WTO-Foren zu nutzen, um ihre Probleme vorzutrage­n und Lösungen zu finden“, sagte er, ohne die USA beim Namen zu nennen. Vertreter der deutschen Wirtschaft reagierten besorgt auf den Konflikt. „Wir alle sind auch ein bisschen China“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages, Martin Wansleben. „Wenn China Schwierigk­eiten hat, haben wir als Lieferant von China Schwierigk­eiten.“

Und was passierte an den Börsen?

Die Börsen leiden unter den Spannungen. Am Donnerstag hatte die Furcht vor einem Handelskri­eg bereits die US-Börsen erfasst und auf Talfahrt geschickt. Auch die asiatische­n Börsen waren unter Verkaufsdr­uck geraten. Der Dax fiel am Freitag unter die Marke von 12000 Punkten. Jörn Petring, dpa

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Foto: Mandel Ngan, afp Präsident Donald Trump (Vordergrun­d) kurz nach der Unterzeich­nung eines Dekrets, das zusätzlich­e Sanktionen gegen China ver hängt. Die USA schützen zudem ihre Stahl und Alu Industrie mit Zöllen.
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