Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum Verdi den Intendante­n in seine Träume verfolgt

Premiere André Bücker inszeniert „La forza del destino“. Seit anderthalb Jahren beschäftig­t er sich mit dieser Oper

- VON RICHARD MAYR

Diese Musik geht dem Intendante­n des Theater Augsburg so schnell nicht mehr aus dem Kopf. Seit anderthalb Jahren beschäftig­t sich André Bücker mit Verdis Oper „La forza del destino“. Zu Hause hat er fünf oder sechs verschiede­ne Einspielun­gen, auf Reisen begleitete ihn der Klavieraus­zug – und jetzt, in der letzten Probenwoch­e der Inszenieru­ng, ist die Musik allgegenwä­rtig. Tagsüber auf der Bühne, aber auch nachts in den Träumen. „Das wird auch noch länger so bleiben“, sagt Bücker.

Gerade befindet sich der Intendant in der Phase einer Inszenieru­ng, in der der Blick nicht mehr nach rechts und nach links geht, sondern nur noch auf die aktuelle Produktion gerichtet ist. Dementspre­chend überrascht war er, als die Welt außerhalb des Theaters den Probenplan durcheinan­derwirbelt­e. Die Gewerkscha­ft Verdi rief am Dienstag auch die Mitarbeite­r des Theaters zu einem Warnstreik auf. „Zum Glück konnten wir kurzfristi­g umplanen“, sagt Bücker. Anstelle der Beleuchtun­gsprobe setzte er eine Probe mit Orchester, Sängern und Kostümen an.

Eine Unterbrech­ung – aber keine, die sich schicksalh­aft ausgewirkt hat. Anders also als der Stoff, mit dem sich Bücker auseinande­rsetzt. Da gibt es ein Liebespaar, das fliehen will, weil Leonoras Liebe vom Vater nicht geduldet wird. Aber während sich das Paar nicht entschließ­en kann, wegzurenne­n, wird es vom Vater überrascht. Eine Pistole wird gezückt, dann weggeworfe­n, dabei löst sich ein Schuss. Der Vater stirbt. Das Paar flieht, verliert sich, es wird verfolgt. Beide suchen eine andere Identität, verstecken sich, werden gefunden. „Diese Geschichte ist wild, es geht um Rache – mir kommt die Handlung wie ein hard-boiled Krimi vor“, sagt Bücker. Das Schlüsselm­oment für die Verwicklun­gen sieht er nicht in dem Schuss, sondern zuvor in dem Zaudern Donna Leonaras, die sich nicht dazu durchringe­n kann, gleich zu fliehen. Sie will noch einen Tag warten, aber da ist alles schon zu spät. „Das ist für mich der Wendepunkt von allem.“

Dementspre­chend rückt bei Bücker auch Donna Leonora ins Zentrum. Gespielt und gesungen wird sie von Sally du Randt. „Sie macht das toll, ist eine großartige Künstlerin.“Es sei eine Freude, mit ihr zusammenzu­arbeiten, sagt Bücker. Durch die Inszenieru­ng lernt er sein Opernensem­ble und den Chor noch einmal über die tägliche Zusammenar­beit an einer Inszenieru­ng auf neue Weise kennen. Das Engagement, auch die Lust am Spiel, die er dort vorfinde, seien für ihn eine große Freude.

Über seinen Zugriff und seine Ideen möchte Bücker nicht zu viel verraten: „Sonst achten die Zuschauer nur darauf. Das verengt den Blick“, findet er. Ein bisschen lässt er doch durchblick­en, etwa, dass die Handlung in Donna Leonoras Zimmer spielt. Auch, dass er Szenen im Stück umgestellt hat, nicht, um ihnen eine neue Bedeutung zu geben, sondern um die dramaturgi­sche Stringenz zu steigern.

Hauptsächl­ich hat er sich bei der Arbeit auf Verdis zweite Fassung gestützt, die Mailänder Fassung, das Ende der ersten – Petersburg­er – Fassung habe ihm allerdings besser gefallen, sodass es da einen Mix gibt. In dieser Version bringt sich Don Alvaro, der Geliebte von Leonora, am Ende um. „Ich finde diesen Schluss konsequent­er, stringente­r – und auch lapidarer.“Aber: Einen kleinen Funken Hoffnung wird es auch am Samstag zum Ende der dreistündi­gen Inszenieru­ng geben. „Da kommt es auf die Zuschauer an, was sie sehen wollen.“

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Foto: Jan Pieter Fuhr Leonora (Sally du Randt) schläft in ihrem Zimmer, ihr Geliebter Alvaro (Leonardo Gramegna) ist bei ihr.

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