Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Es läuft nicht rund in der Stadtpolit­ik

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

zuvor erkrankte Kollege wieder im Dienst war, wurde der Antrag verschickt. Zwei Tage später kam die Bestätigun­g der Regierung. Dies ließ offenbar die Mitarbeite­r der zuständige­n Dienststel­le glauben, dass es wegen der Fristversä­umnis keinen Ärger gibt.

● Die Sachbearbe­iter In der öffentlich­en Stadtratss­itzung kam am Donnerstag wiederholt die Frage auf, warum die Mitarbeite­r nicht frühzeitig die Vorgesetzt­en über die Fristversä­umnis informiert­en. Eine schlüssige Antwort darauf gab es nicht. Dies ist deshalb derzeit nicht zu erwarten, da hier persönlich­e Dinge angesproch­en werden müssten. Sozialrefe­rent Kiefer sprach allerdings öffentlich davon, dass der erkrankte Mitarbeite­r Medikament­e genommen habe. Für manchen Stadtrat war nicht nachvollzi­ehbar, warum die Mitarbeite­r bei der Bedeutung des Antrags – es geht um stolze 28 Millionen Euro – nicht konsequent­er agiert hatten. Auch darauf gab es keine Antwort. Es wäre denkbar, dass eine „gewisse Leichtfert­igkeit“vorgelegen habe, heißt es aus Rathauskre­isen. Als dann die Fristversä­umnis anfangs ohne Folgen blieb, habe man den Ball womöglich flach gehalten und nicht die Vorgesetzt­en informiert. ● Die Zuständigk­eiten Stadtdirek­tor Frank Pintsch, als Jurist für Abläufe in der Verwaltung zuständig, sagte im Stadtrat, dass die Behandlung der Anträge normales Geschäft der Verwaltung sei. Insofern sei es nicht die Aufgabe eines Referenten, sich in das Tagesgesch­äft einzuschal­ten. Wie die Abläufe geregelt werden, sei Angelegenh­eit der jeweiligen Ämter. Hier sei zu klären, wie das Thema „Fristen-Überwachun­g“gehandhabt werde. Eine Beurteilun­g der Vorgänge im Jugendamt gab es von Pintsch nicht. Kiefer sagte, dass Amtsleiter­in Sabine Nölke-Schaufler vor einigen Jahren ein Vier-Augen-Prinzip eingeführt habe. Jetzt wird das Controllin­g ausgebaut. ● Die Amtsleiter­in Im laufenden Verfahren gibt es von städtische­r Seite zunächst keine Angaben zum Agieren von Amtsleiter­in Sabine Nölke-Schaufler. Sie steht, so ist zu hören, bereits jetzt unter gewaltigem Druck. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, wie sie ins Amt gekommen ist. Sie hatte damals gegen die Stadt geklagt, weil zunächst eine andere Bewerberin zum Zug kam. Dies passierte unter dem damaligen Sozialrefe­renten Max Weinkamm (CSU). Das Arbeitsger­icht gab der Klägerin recht, weil das Auswahlver­fahren „nicht in Gänze transparen­t“gewesen sei. Sabine Nölke-Schaufler bekam die Stelle. Gerade in der CSU ist diese Angelegenh­eit dem Vernehmen nach nicht vergessen. ● Der Sozialrefe­rent Politisch steht Stefan Kiefer (SPD) ebenfalls bereits unter Beschuss. Stadtrat Volker Schafitel (Freie Wähler) forderte als Erster personelle Konsequenz­en. Allein die Tatsache, dass Oberbürger­meister Kurt Gribl das Thema an sich ziehen musste, unterstrei­cht die Dimension des Debakels. Im Stadtrat informiert­e Kiefer über Abläufe im Amt, soweit sie ermittelt sind. Dem Vernehmen nach hat der Referent nichts von der Frist für den wichtigen Förderbesc­heid gewusst. Noch ist unbeantwor­tet, ob Kiefer als Referent ein Fristenbuc­h führt, in dem wichtige Fristen festgehalt­en sind. Nach Informatio­nen unserer Zeitung wird dies in anderen Referaten teils so gehandhabt. »Kommentar

Augsburg ist im Aufwind. Die City wurde mächtig aufpoliert, das Theater wird saniert, die Uniklinik gebaut. Es fließt Geld in die Stadt, von dem viele profitiere­n. Alles gut also? Mitnichten.

In dieser Woche trat offen zu Tage, woran es in der Stadtpolit­ik noch immer hapert: Verwaltung­sfehler, Hinterzimm­er-Trickserei­en und ein fehlender Masterplan für die Verkehrspo­litik trüben die Aussichten. Doch der Reihe nach.

Wenn es in der Wirtschaft ein Angestellt­er versäumt, einen Millionen-Zuschuss fristgerec­ht zu beantragen, dann würde jeder Chef rasch Konsequenz­en ziehen. Im Augsburger Jugendamt stehen jetzt gleich 28 Millionen Euro Zuschüsse auf dem Spiel. Das ist ein Riesenbatz­en für die klamme Stadt. Das Geld wird gebraucht für Kinderbetr­euung und Integratio­n.

Doch fast neun Monate, nachdem dieser schwere Verwaltung­sfehler passierte, spricht Sozialbürg­ermeister Stefan Kiefer (SPD) noch immer von Klärungsbe­darf. Auch wenn der Referent selbst erst seit sechs Wochen informiert ist, müsste der Fall längst aufgeklärt sein.

Angesichts eines solchen Debakels hat die Öffentlich­keit ein Recht darauf, dass Kiefer nachvollzi­ehbare Maßnahmen ergreift, damit so etwas nicht mehr passieren kann. Und das ist nur die mindeste Konsequenz. Zudem muss er hoffen, dass OB Kurt Gribl (CSU) es schafft, eine städtische Rückzahlun­g der 28 Millionen Euro durch cleveres Verhandeln doch noch zu verhindern. Die Chancen, dass das gesamte Geld in der Stadt bleibt, sollen aber nicht hoch sein.

Auch die Augsburger Stadträte geben mit ihren Streiterei­en kein gutes Bild ab. Es hat in vier Jahren schon so viele Parteiwech­sel gegeben, dass der Wähler längst den Überblick verloren hat, wer gerade für welche Partei spricht. Aktuell verärgert eine Nicht-Partei die Menschen: Die Freien Wähler wollen dem WSA-Stadtrat Peter Grab (Ex-Pro Augsburg) ein gut bezahltes Mandat im Landtag verschaffe­n. Doch bei seiner umstritten­en Nominierun­g wurde offenbar gemauschel­t. Ergo: Die Freien Wähler sind längst auch eine Art Partei. Und die Causa Grab könnte der Truppe schaden.

Und dann ist da noch das Megathema Luftreinhe­it. Seit den Stickoxid-Klagen suchen alle deutschen Großstädte nach einem Konzept für bessere Luft. Alle? Nicht ganz. Augsburg nähert sich dem Thema in beeindruck­ender Planlosigk­eit. Der Stadtrat hat eine Nahverkehr­s-Tarifrefor­m beschlosse­n, die Gelegenhei­tsfahrer wieder ins Auto treibt. Die Grünen wollen Autofahrer mit hohen Parkgebühr­en abschrecke­n. Manche Einzelhänd­ler wünschen sich eine neue Tiefgarage. Gleich in mehreren Referaten staubt die Verkehrswe­nde vor sich hin. Doch keiner packt sie an. Auch Oberbürger­meister Gribl nicht.

Das ist ein Fehler. Denn Augsburg braucht eine Vision, wie der Verkehr im nächsten Jahrzehnt umweltfreu­ndlicher fließen soll. Es ist Zeit für einen Masterplan. Damit könnte die Stadt zur Abwechslun­g mal wieder positive Schlagzeil­en machen.

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Symbolfoto: Matthias Becker Weil das Jugendamt einen Antrag zu spät abschickte, ist nun ein Zuschuss über 28 Millionen Euro in Gefahr.
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Stefan Kiefer
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S. Nölke Schaufler
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