Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Es läuft nicht rund in der Stadtpolitik
zuvor erkrankte Kollege wieder im Dienst war, wurde der Antrag verschickt. Zwei Tage später kam die Bestätigung der Regierung. Dies ließ offenbar die Mitarbeiter der zuständigen Dienststelle glauben, dass es wegen der Fristversäumnis keinen Ärger gibt.
● Die Sachbearbeiter In der öffentlichen Stadtratssitzung kam am Donnerstag wiederholt die Frage auf, warum die Mitarbeiter nicht frühzeitig die Vorgesetzten über die Fristversäumnis informierten. Eine schlüssige Antwort darauf gab es nicht. Dies ist deshalb derzeit nicht zu erwarten, da hier persönliche Dinge angesprochen werden müssten. Sozialreferent Kiefer sprach allerdings öffentlich davon, dass der erkrankte Mitarbeiter Medikamente genommen habe. Für manchen Stadtrat war nicht nachvollziehbar, warum die Mitarbeiter bei der Bedeutung des Antrags – es geht um stolze 28 Millionen Euro – nicht konsequenter agiert hatten. Auch darauf gab es keine Antwort. Es wäre denkbar, dass eine „gewisse Leichtfertigkeit“vorgelegen habe, heißt es aus Rathauskreisen. Als dann die Fristversäumnis anfangs ohne Folgen blieb, habe man den Ball womöglich flach gehalten und nicht die Vorgesetzten informiert. ● Die Zuständigkeiten Stadtdirektor Frank Pintsch, als Jurist für Abläufe in der Verwaltung zuständig, sagte im Stadtrat, dass die Behandlung der Anträge normales Geschäft der Verwaltung sei. Insofern sei es nicht die Aufgabe eines Referenten, sich in das Tagesgeschäft einzuschalten. Wie die Abläufe geregelt werden, sei Angelegenheit der jeweiligen Ämter. Hier sei zu klären, wie das Thema „Fristen-Überwachung“gehandhabt werde. Eine Beurteilung der Vorgänge im Jugendamt gab es von Pintsch nicht. Kiefer sagte, dass Amtsleiterin Sabine Nölke-Schaufler vor einigen Jahren ein Vier-Augen-Prinzip eingeführt habe. Jetzt wird das Controlling ausgebaut. ● Die Amtsleiterin Im laufenden Verfahren gibt es von städtischer Seite zunächst keine Angaben zum Agieren von Amtsleiterin Sabine Nölke-Schaufler. Sie steht, so ist zu hören, bereits jetzt unter gewaltigem Druck. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, wie sie ins Amt gekommen ist. Sie hatte damals gegen die Stadt geklagt, weil zunächst eine andere Bewerberin zum Zug kam. Dies passierte unter dem damaligen Sozialreferenten Max Weinkamm (CSU). Das Arbeitsgericht gab der Klägerin recht, weil das Auswahlverfahren „nicht in Gänze transparent“gewesen sei. Sabine Nölke-Schaufler bekam die Stelle. Gerade in der CSU ist diese Angelegenheit dem Vernehmen nach nicht vergessen. ● Der Sozialreferent Politisch steht Stefan Kiefer (SPD) ebenfalls bereits unter Beschuss. Stadtrat Volker Schafitel (Freie Wähler) forderte als Erster personelle Konsequenzen. Allein die Tatsache, dass Oberbürgermeister Kurt Gribl das Thema an sich ziehen musste, unterstreicht die Dimension des Debakels. Im Stadtrat informierte Kiefer über Abläufe im Amt, soweit sie ermittelt sind. Dem Vernehmen nach hat der Referent nichts von der Frist für den wichtigen Förderbescheid gewusst. Noch ist unbeantwortet, ob Kiefer als Referent ein Fristenbuch führt, in dem wichtige Fristen festgehalten sind. Nach Informationen unserer Zeitung wird dies in anderen Referaten teils so gehandhabt. »Kommentar
Augsburg ist im Aufwind. Die City wurde mächtig aufpoliert, das Theater wird saniert, die Uniklinik gebaut. Es fließt Geld in die Stadt, von dem viele profitieren. Alles gut also? Mitnichten.
In dieser Woche trat offen zu Tage, woran es in der Stadtpolitik noch immer hapert: Verwaltungsfehler, Hinterzimmer-Tricksereien und ein fehlender Masterplan für die Verkehrspolitik trüben die Aussichten. Doch der Reihe nach.
Wenn es in der Wirtschaft ein Angestellter versäumt, einen Millionen-Zuschuss fristgerecht zu beantragen, dann würde jeder Chef rasch Konsequenzen ziehen. Im Augsburger Jugendamt stehen jetzt gleich 28 Millionen Euro Zuschüsse auf dem Spiel. Das ist ein Riesenbatzen für die klamme Stadt. Das Geld wird gebraucht für Kinderbetreuung und Integration.
Doch fast neun Monate, nachdem dieser schwere Verwaltungsfehler passierte, spricht Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD) noch immer von Klärungsbedarf. Auch wenn der Referent selbst erst seit sechs Wochen informiert ist, müsste der Fall längst aufgeklärt sein.
Angesichts eines solchen Debakels hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf, dass Kiefer nachvollziehbare Maßnahmen ergreift, damit so etwas nicht mehr passieren kann. Und das ist nur die mindeste Konsequenz. Zudem muss er hoffen, dass OB Kurt Gribl (CSU) es schafft, eine städtische Rückzahlung der 28 Millionen Euro durch cleveres Verhandeln doch noch zu verhindern. Die Chancen, dass das gesamte Geld in der Stadt bleibt, sollen aber nicht hoch sein.
Auch die Augsburger Stadträte geben mit ihren Streitereien kein gutes Bild ab. Es hat in vier Jahren schon so viele Parteiwechsel gegeben, dass der Wähler längst den Überblick verloren hat, wer gerade für welche Partei spricht. Aktuell verärgert eine Nicht-Partei die Menschen: Die Freien Wähler wollen dem WSA-Stadtrat Peter Grab (Ex-Pro Augsburg) ein gut bezahltes Mandat im Landtag verschaffen. Doch bei seiner umstrittenen Nominierung wurde offenbar gemauschelt. Ergo: Die Freien Wähler sind längst auch eine Art Partei. Und die Causa Grab könnte der Truppe schaden.
Und dann ist da noch das Megathema Luftreinheit. Seit den Stickoxid-Klagen suchen alle deutschen Großstädte nach einem Konzept für bessere Luft. Alle? Nicht ganz. Augsburg nähert sich dem Thema in beeindruckender Planlosigkeit. Der Stadtrat hat eine Nahverkehrs-Tarifreform beschlossen, die Gelegenheitsfahrer wieder ins Auto treibt. Die Grünen wollen Autofahrer mit hohen Parkgebühren abschrecken. Manche Einzelhändler wünschen sich eine neue Tiefgarage. Gleich in mehreren Referaten staubt die Verkehrswende vor sich hin. Doch keiner packt sie an. Auch Oberbürgermeister Gribl nicht.
Das ist ein Fehler. Denn Augsburg braucht eine Vision, wie der Verkehr im nächsten Jahrzehnt umweltfreundlicher fließen soll. Es ist Zeit für einen Masterplan. Damit könnte die Stadt zur Abwechslung mal wieder positive Schlagzeilen machen.