Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bewegende Kindheitserinnerungen
Ausstellung Das Ballonmuseum Gersthofen zeigt in einer Sonderschau, wie sich Kinder mit den Verhältnissen der Jahre 1945 bis 1955 arrangieren mussten
Gersthofen Die Geschichten der Nachkriegskinder sind vielfältig, aber eines verbindet sie alle: die Lebensbedingungen in der großen Not nach der totalen Niederlage des Deutschen Reichs. Berührende Aufnahmen und Erinnerungen an diese Zeit versammelt die neue Sonderausstellung „Kindheit in der Nachkriegszeit 1945 bis 1955“im Gersthofer Ballonmuseum.
Den Kern der Schau bildet eine Auswahl von 40 Nachkriegs-Kinderfotos aus der Sammlung Michael-Andreas Wahle. Diese wurde ergänzt durch Erinnerungsstücke, die 23 Leihgeber aus der Region nach einem Aufruf in unserer Zeitung zur Verfügung gestellt haben.
Wie Gersthofens Bürgermeister Michael Wörle bei der vom neuen Kulturamtschef Thomas Kazianka moderierten Ausstellungseröffnung erklärte, betrug der Vertriebenenanteil an der Bevölkerung in Gersthofen zeitweilig 28 Prozent. „Zum vergleich: Im Moment haben wir 1,5 Prozent Flüchtlinge.“Er räumte allerdings ein, dass die heutigen Flüchtlinge schwerer integriert werden könnten, da sie einem komplett anderen Sprach- und Kulturkreis entstammen. Bis 1954 wuchs das damalige Dorf Gersthofen um 78 Prozent. „Das zu bewältigen, war eine besondere Herausforderung für die Gemeinschaft“, so Wörle.
„Diese Zeit war geprägt von ungeheuren Zerstörungen, gesellschaftlichen Umbrüchen und der Konzentration darauf, es warm und satt, ein Dach über dem Kopf zu haben“, erklärte Ballonmuseumsleiter Thomas Wiercinski. Für Kinder noch einmal besonders belastend waren die zerrissenen Familien, wenn der Vater in Gefangenschaft geraten war oder eines oder sogar beide Elternteile im Krieg getötet worden waren.
Der Sammler Michael-Andreas Wahle ging darauf ein, wie er, zunächst im Auftrag der Amerikaner, weltweit Fotos zusammengetragen hatte, mit denen die Entwicklung Deutschland in den Jahren 1945 bis 1955 verfolgt werden konnte.
Vor allem die älteren Ausstellungsbesucher werden sich an Szenen, die in den Fotografien zu sehen sind, erinnern: Kinder, die in den zerbombten Straßen spielen, harte Arbeit erledigen müssen oder mit ihren Eltern Lebensmittel aufsammeln. Andere Buben und Mädchen lauschen der gestrengen Lehrerin. Auch für diejenigen, die erst in den deutschen Boomjahren geboren wurden und diese bittere Not nicht mehr erleben mussten, gehen einige Fotos nahe: Zum Beispiel, wie sich Kinder an einem Schaufenster die Nasen platt drücken, als es endlich wieder Süßigkeiten in der Auslage gab.
Ergänzt werden Fotos durch Exponate von 23 Leihgebern, die ihre Spielsachen und Kleidungsstücke bis heute aufgehoben haben. Dazu gehören geflochtene Puppenwagen, ein komplett ausgestatteter Kinderkaufladen, der Igel Mecki, aber auch eine leere Packung von „Hipp’s Kindermehl mit Kalk und Malz“.
Besonders anrührend ist das schwarze Trauerkleid für die dreijährige Gerda aus Dasing, das 1944 aus einer bayerischen Trachtenschürze geschneidert wurde – das einem kleinen Foto, auf dem die Familie noch komplett war, gegenübergestellt ist. An einen freudigeren Anlass wiederum erinnert ein perfekt erhaltenes Kommunionkleid mit Kranz als Kopfschmuck, Stoffschleife und Stofftäschchen sowie der Kommunionkerze. Es wurde in Gersthofen im Jahr 1951 getragen. Für die heutige Zeit kaum mehr nachvollziehbar ist, wenn beispielsweise in einem AEG-Elektroherde-Rezeptheft steht, dass die Frau in der Küche arbeitet.
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Öffnungszeiten Bis zum 3. Juni je weils Mittwoch bis Freitag von 13 bis 17 Uhr, Donnerstag sowie Sonn und Fei ertage von 10 bis 17 Uhr.