Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Putzer des Kaisers
Porträt „Katsche“Schwarzenbeck hat Beckenbauer den Rücken freigehalten. Der eine wurde Lichtgestalt, der andere Schreibwarenhändler. Ein Leben ohne großes Tamtam
Wer in den 60er und 70er Jahren als Knirps noch um jede abendliche FußballMinute vor dem Fernseher kämpfen musste, hat Tore erlebt, an die er sich auch dann noch erinnern wird, wenn er später einmal alles andere vergessen hat. Ganz vorne im ewigen Gedenken: „Katsche“Schwarzenbecks 1:1-Ausgleichstreffer für den FC Bayern in der 120. Minute des Europapokalfinales der Landesmeister gegen Atlético Madrid. Ein 25-m-Schuss. Eine schnörkellose Verzweiflungstat von einem, dem sie als Letztem zuzutrauen war. „Katsche“war sein Fußballerleben lang Vorstopper – eine schon lange ausgestorbene Fußballer-Gattung. 540 Bayern-Spiele. Nie woanders.
Eigentlich heißt „Katsche“HansGeorg. Woher der „Katsche“kam, weiß er selbst nicht. Es klingt entfernt nach Grätsche und beschrieb so Schwarzenbecks Aufgabengebiet. Der knorrige Kerl war Grätscher an der Seite Franz Beckenbauers. Der elegante Fußball-Kaiser und sein Putzer, ein Gehilfe für die niedrigen Fußballarbeiten. In jener Nacht 1974 aber hat der Putzer den Münchnern mit seinem Verzweiflungsschuss ein Wiederholungsspiel beschert und die Vorlage zum ersten von drei Europapokal-Triumphen in Serie geliefert.
Schwarzenbeck, der jedes Bauerntheater bereichern würde, stand nach seiner Karriere hinter dem Verkaufstisch eines winzigen Schreibwarenladens im Münchner Stadtteil Au. Ohlmüllerstraße. „Passen S’ auf, draußen steht Nitzinger dran“, warnte er am Telefon Journalisten, die ihn besuchen wollten. Der Name seiner Tanten, denen der Laden früher gehörte. Diesen in Schwarzenbeck umzutaufen, kam für „Katsche“nicht infrage. Nach einem Achillessehnen-Abriss war der Vorstopper 1980 vom Olympiastadion in die Ohlmüllerstraße gewechselt. Ein Weltund Europameister als Bleistiftverkäufer. Trainer wollte der damals 32-Jährige nicht werden, und einen Manager Schwarzenbeck konnte sich niemand vorstellen. Warum aber nicht das Geld arbeiten lassen, das er als Profi verdient hatte? „Weil es damals noch nicht so viel gab. Ich hab’ zwar gut verdient. Aber wir hatten gerade ein Haus gebaut. Ich wusste, dass ich weiterarbeiten musste“, sagte der gelernte Buchdrucker vor Jahren. Wir – das sind seine Frau Hannelore, die er vor 52 Jahren kennenlernte, und seine beiden inzwischen erwachsenen Kinder. Den Laden hat er 2009 zugesperrt. Den FC Bayern beliefert er noch immer mit Zeitungen und Büroartikeln. Bei der Gelegenheit trifft er gelegentlich den Uli und den „Kalle“, früher manchmal auch den Franz oder den Sepp. Dicke Freundschaften sind nicht geblieben. „Wir waren eine Interessengemeinschaft“, sagt er. Gelegentlich lädt ihn der FC Bayern zu besonderen Anlässen ein. Dann steht „Katsche“im Trachtenjanker neben Uli, Franz und Sepp – und die Jungen fragen sich, auf welcher Theaterbühne sie den knorrigen Alten schon mal gesehen haben.
Heute wird „Katsche“70 – ohne großes Tamtam. Er feiert nur mit seiner Familie. Am liebsten ist ihm seine Ruhe. Anton Schwankhart