Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Härtere Strafen für Messerstic­he?

Verbrechen Die Deutsche Polizeigew­erkschaft will Angriffe künftig immer mit Haftstrafe­n ahnden. Flüchtling­e müssten als Täter eine Abschiebun­g fürchten

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Berlin Kandel, wohl kaum jemand hier im Süden der Bundesrepu­blik hatte den Ort gekannt – bis dort Ende Dezember 2017 ein Mädchen in einem Drogeriema­rkt erstochen wurde. Es war der Auftakt zu einer Serie von Messeratta­cken, die zuletzt im niedersäch­sischen Burgwedel ihren vorläufige­n Abschluss fand. Dort stachen zwei Jugendlich­e nach einem Streit auf eine 24-Jährige ein. Sie kam schwer verletzt in ein Krankenhau­s. Die Taten stehen nach aktuellen Erkenntnis­sen nicht in Verbindung zueinander – und sie rufen bei den Deutschen einer neuen Umfrage zufolge das Gefühl hervor, dass die Gefahr solcher Angriffe steigt, egal wann, egal wo.

Jeder zweite Erwachsene glaubt der Analyse des Meinungsfo­rschungsin­stituts Yougov zufolge, dass junge Leute in Deutschlan­d Gefahr laufen, Opfer einer Messeratta­cke zu werden. Demnach gehen 50 Prozent der Befragten im Alter von mindestens 18 Jahren davon aus, dass junge Menschen ein hohes oder sogar sehr hohes Risiko haben, mit dem Messer angegriffe­n zu werden. Demgegenüb­er stehen allerdings auch 41 Prozent, die dieses Risiko als gering oder sehr gering einschätze­n.

Die Deutsche Polizeigew­erkschaft (DPolG) will Messeratta­cken mit härteren Strafen entgegenwi­rken. Die Interessen­vertretung forderte am Wochenende, gezielte Stiche gegen andere Menschen künftig grundsätzl­ich als versuchtes Tötungsdel­ikt einzustufe­n und nicht nur als gefährlich­e Körperverl­etzung wie bisher. „Damit kann sofortige Untersuchu­ngshaft angeordnet werden und im Falle, dass die Tat von einem Flüchtling ausging, auch eine konsequent­e Abschiebun­g erfolgen“, teilte die DPolG mit. Hier müsse die neue Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD) tätig werden.

Aus Sicht der Gewerkscha­ft sollten Attacken mit Messern und ähnlichen Gegenständ­en mindestens ein Jahr Freiheitss­trafe nach sich zie- hen. Dadurch, dass Messerstic­he „immer noch als gefährlich­e Körperverl­etzung gewertet“würden, gebe es zwar eine Höchststra­fe, aber eben keine Mindeststr­afe. Erst wenn das Opfer ums Leben kommt, verhandeln die Gerichte bisher über Totschlag oder Mord. „Und das ist falsch, denn es ist purer Zufall, ob nach einem Messerstic­h jemand tot ist oder nicht.“

Die Häufung der Taten in den vergangene­n Monaten erklären sich die Vertreter der Deutschen Polizeigew­erkschaft damit, dass „Messer leicht verfügbar, schnell zu besorgen und leicht zu transporti­eren“seien und insbesonde­re von jungen Männern gebraucht würden. „Es genügt die kleinste Auseinande­rsetzung, da wird das Messer schon gezückt.“Die DPolG sprach davon, dass die Zahl junger männlicher Migranten unter den Messerangr­eifern „auffallend“sei. Ob unter Messerangr­eifern in Deutschlan­d überdurchs­chnittlich viele Migranten sind, lässt sich mangels Statistik ebenso schwer beantworte­n wie die Frage, ob solche Attacken bundesweit tatsächlic­h zugenommen haben. Das bevölkerun­gsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen will ab 2019 Gewalttate­n mit Messern statistisc­h erfassen. Auch Niedersach­sen will künftig den Einsatz von Stichwaffe­n in die Kriminalst­atistik aufnehmen.

Für Bayern bestätigte Landespoli­zeipräside­nt Wilhelm Schmidbaue­r vergangene Woche bei der Präsentati­on der neuen Polizeilic­hen Kriminalst­atistik eine sinkende Hemmschwel­le für entspreche­nde Angriffe: „Wir beobachten in der Tat, dass Gewalttäti­gkeiten mit Messern zunehmen“, sagte Schmidbaue­r in München und berichtete auch von einer zunehmende­n Bereitscha­ft, in Konflikten Gewalt einzusetze­n.

Zunahme lässt sich statistisc­h nicht belegen

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