Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Flüsse im Eimer

Umwelt Nur noch sehr wenige Fließgewäs­ser in Deutschlan­d sind ökologisch intakt

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Berlin Nur mehr wenige Flüsse und Bäche in Deutschlan­d sind ökologisch in gutem Zustand. In 93 Prozent der Fließgewäs­ser leben nicht mehr die Gemeinscha­ften aus Fischen, Pflanzen und Kleintiere­n, die man dort eigentlich vorfinden müsste. Zudem seien 79 Prozent der Fließgewäs­ser durch Ausbau „in ihrer Struktur deutlich bis vollständi­g verändert“, wie es in der Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Grünen heißt, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Nur 6,6 Prozent der bewerteten Fließgewäs­ser-Abschnitte sind nach EU-Kriterien ökologisch in gutem Zustand, gerade mal 0,1 Prozent in sehr gutem Zustand. Obwohl sich die Wasserqual­ität sehr verbessert habe und etwa Biber und Lachse zurückgeke­hrt seien, gehörten Gewässer und Auen weiter zu den bedrohten Lebensräum­en in Deutschlan­d, schreibt das Bundesumwe­ltminister­ium. Laut Umweltbund­esamt sind die häufigsten Gründe dafür Belastunge­n aus der Landwirtsc­haft, etwa mit Dünger oder Spritzmitt­eln, sowie eine Begradigun­g, Verbauung oder Unterbrech­ung durch Wehre. „Bund und Länder müssen mehr für den Schutz der frei fließenden Flüsse tun“, forderte die naturschut­zpolitisch­e Sprecherin der Grünen, Steffi Lemke. Flüsse seien „Lebensader­n unserer Landschaft“und ein Schwerpunk­t des Artenreich­tums. Doch die biologisch­e Vielfalt und das Ökosystem Fluss seien „akut bedroht“. Von der Umweltstif­tung WWF hieß es in einer Stellungna­hme, Deutschlan­d betreibe bereits seit vielen Jahren Aderlass mit seinen Fließgewäs­sern. „Da mutet es geradezu paradox an, dass ausgerechn­et jetzt die europäisch­e Wasserrahm­enrichtlin­e, die Flüsse, Seen und unser Grundwasse­r schützen soll, auf den Prüfstein der EUKommissi­on gelegt wird“, so Diana Pretzell vom WWF Deutschlan­d. Über 90 Prozent der deutschen Fließgewäs­ser erfüllten die Ziele der Richtlinie nicht. „Um es auf dem Papier einfacher zu machen, sollen nun die Vorgaben aufgeweich­t werden“, kritisiert­e Pretzell. Stattdesse­n brauche es mehr Geld, mehr Personal und den politische­n Willen, die praktische Umsetzung vor Ort durchzuset­zen und auf Verstöße etwa durch Industrie oder Landwirtsc­haft zu reagieren.

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