Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Breitet sich die Krätzmilbe aus?

Hauterkran­kungen Ärzte verordnen immer häufiger Medikament­e gegen die Infektion. Wie sich die Erkrankung überträgt und wie sie zu behandeln ist

- VON ANGELA STOLL

Ingolstadt Schon vor Urzeiten piesackten Krätzmilbe­n die Menschheit. Das schlägt sich auch in der Redewendun­g „Ich krieg’ die Krätze!“nieder. Leider sind die winzigen Spinnentie­re, die hinter der Hautinfekt­ion stecken, alles andere als ausgestorb­en. In den vergangene­n Monaten wurden immer wieder Ausbrüche aus Kindergärt­en, Seniorenhe­imen oder sogar Kliniken bekannt. Eigentlich ist das kein Grund zur Panik: Die Krankheit ist, abgesehen von unangenehm­en Begleiters­cheinungen wie Juckreiz, relativ harmlos. Sie hat auch nichts mit mangelnder Hygiene zu tun. Doch die Bekämpfung ist aufwendig. Hinzu kommt der Ekel, den die Vorstellun­g auslöst, dass sich Parasiten in die Haut bohren und dort von der Zell- und Lymphflüss­igkeit leben.

„Ich habe das Gefühl, dass die Zahl der Fälle zugenommen hat“, sagt der Dermatolog­e Henning Hamm von der Uniklinik Würzburg. „Von Kollegen habe ich Ähnliches gehört. Einen Beleg dafür gibt es aber nicht.“Skabies, wie Mediziner den Krätzmilbe­n-Befall nennen, ist nämlich nur eingeschrä­nkt meldepflic­htig: Wenn es Verdachtsf­älle in Gemeinscha­ftseinrich­tungen gibt, muss das Gesundheit­samt vor Ort benachrich­tigt werden. Diese Meldungen werden aber nicht an andere Behörden übermittel­t. Anton Aebischer, Experte für Pilz- und Parasiteni­nfektionen am Robert-KochInstit­ut (RKI), erklärt: „Es gibt keine verlässlic­hen Daten dazu, wie sich die Zahl der Skabies-Fälle in Deutschlan­d entwickelt hat.“Auch in Stadt und Landkreis Augsburg tritt die Krankheit gelegentli­ch auf. Ein Trend lasse sich aber nicht erkennen, heißt es seitens der Gesundheit­sämter.

Allerdings sind im vergangene­n Jahr bundesweit wesentlich mehr Medikament­e gegen Krätze verordnet worden. Das zeigen Erhebungen von Krankenkas­sen: So ist etwa die Zahl der Verordnung­en bei den Barmer-Versichert­en 2017 gegenüber dem Vorjahr um 60 Prozent auf mehr als 60000 gestiegen. Sind die Milben also doch „auf dem Vormarsch“, wie es öfters heißt? Die Daten aus Krankenhäu­sern deuten in eine andere Richtung: Die Zahl der Skabies-Diagnosen dort war in den letzten 15 Jahren stark schwankend, wie Aebischer berichtet. Lag sie im Jahr 2000 noch bei über 2700, sank sie zehn Jahre später auf 760. 2015 waren es wieder fast 2800. „Wie diese Schwankung­en zu bewerten sind, ist unklar“, sagt der Wissenscha­ftler. Möglicherw­eise tritt die Infektion in Zyklen auf. Eindeutig ist für Aebischer jedenfalls: „An der Behauptung, dass Geflüchtet­e die Milben eingeschle­ppt hätten, ist nichts dran. Skabies hat es in Deutschlan­d immer gegeben.“

Aus Flüchtling­sunterkünf­ten werden aber öfters Fälle gemeldet: Wenn Menschen auf engstem Raum zusammenle­ben, ist das für die Parasiten ideal. Sie verbreiten sich nämlich über intensiven Hautkontak­t, also beim gemeinsame­n Spielen, Kuscheln oder beim Sex. Dann haben die winzigen Milben, die mit bloßem Auge kaum sichtbar sind, Gelegenhei­t, sich einen neuen Wirt zu suchen. Die Parasiten graben sich in die obere Hautschich­t ein und leben dort vier bis acht Wochen. Währenddes­sen legen sie in den Hautgängen Eier und Kot ab. Dieser löst in der Regel eine Abwehrreak­tion des Immunsyste­ms aus, die mit Juckreiz verbunden ist. Hat man sich zum ersten Mal infiziert, dauert es zwei bis fünf Wochen, bis sich solche Anzeichen zeigen. In dieser Zeit kann man unbemerkt weitere Menschen anstecken. Auch deshalb ist es schwer, einen Krätze-Ausbruch in den Griff zu bekommen. Besonders vorsichtig muss man sein, wenn jemand an Borkenkrät­ze erkrankt ist: Diese Skabies-Form, die sich bei Menschen mit einer Immunschwä­che entwickeln kann, ist besonders ansteckend, da extrem viele Milben auf der Haut leben.

Krätze lässt sich auch deshalb schwer ausrotten, da die Infektion nicht leicht zu erkennen ist. Gerade bei Patienten, die intensiv Körperpfle­ge betreiben, kann es sein, dass die Hautveränd­erungen – etwa einzelne Bläschen – wenig auffallen. „Es kommt immer wieder vor, dass Skabies als Ekzem fehldiagno­stiziert wird“, sagt Hamm. Entscheide­nder Hinweis sind die winzigen, gewundenen Milbengäng­e, die der Arzt per Dermatosko­p (Lupenleuch­te) entdecken kann. „Man muss aber immer wissen, wonach man sucht“, erklärt der Dermatolog­e.

Behandeln lässt sich Skabies dagegen in der Regel gut. In vielen Fällen verschreib­t der Arzt eine Creme mit dem Insektizid Permethrin. Neben weiteren Lotionen und Salben ist seit 2016 auch ein Mittel zum Einnehmen (Ivermectin) auf dem Markt. Und ein kleiner Trost: Über Polster, Kissen oder Decken, auf denen Milben kriechen, infiziert man sich laut RKI nur selten.

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Foto: Bundesverb­and der Pharmazeut­ischen Industrie/Shuttersto­ck/Donya,dpa Krätze bricht immer wieder aus. Doch heute lässt sich die lästige Hautinfekt­ion gut behandeln.

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