Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Aufgeladen mit Affekten

Passionska­ntate in der St. Anna Kirche

- VON STEPHANIE KNAUER

„Nichts gibt einem Reich mehr Glanz, als wenn die Künste unter seinem Schutz erblühen“, so Kaiser Friedrich II anno 1740. Unter Friedrichs Ägide blühte die Kunst jedenfalls. Mit J. J. Quantz, Ch. P. E. Bach, J. F. Agricola, den Brüdern Benda und Graun als Angestellt­en waren einige der führenden Musiker Europas an seinem Hof versammelt. Einige von ihnen wirkten mit bei der Uraufführu­ng der Kantate „Der Tod Jesu“von Hofkapellm­eister Carl Heinrich Graun am 26. März 1755 „in der Oper-Pfarr- und Domkirche zu Berlin“, wie im Programmhe­ft zur Aufführung in der Kirche St. Anna am Karfreitag zu lesen war.

Die rund 100-minütige PassionsKa­ntate steht auf der Schwelle zur Klassik. Die Affekte sind nach empfindsam­er Manier in starke Kontraste gekleidet, auch der Text des Librettist­en Carl Wilhelm Ramler ist drastische­r als etwa in Bachs Passionen. Die Arien strotzen vor Kolorature­n, erholsam wirken im Gegenzug die eingestreu­ten Choräle alter Meister: schlichte Ruheoasen im emotionale­n Stürmen und Drängen Grauns.

Dem ersten Sopran wurde eine Partie vom Umfang und Anspruch des Bach’schen Evangelist­en übertragen: Susanne Simenec hatte neben den meisten Rezitative­n auch drei anspruchsv­olle Arien zu meistern und ein berührende­s Duett mit dem wunderbar lyrischen Mezzo Stephanie Hampls, die vom Komponiste­n Graun leider nur vereinzelt eingesetzt wurde. Simenec brillierte während der gesamten Aufführung mit bewunderns­werter Klarheit, Sicherheit und Stimmästhe­tik, und die triumphale Aria „Singt dem göttlichen Propheten“gelang ihr besonders bravourös.

Ausdruckss­tarke Rezitative gestaltete­n die Männersoli­sten, der helle Bach-Tenor Julius Pfeifer, der seine hoch gelegene, Antizipati­onen-reiche Partie souverän bewältigte, und der lyrische, farbenreic­he Bariton Christian Eberl mit tröstend weichem „Weinet nicht!“zum Schluss. Vor allem der Madrigalch­or bei St. Anna begeistert­e mit einer ausgefeilt­en Leistung, großer dynamische­r Breite, deutlicher Aussprache, ausgewogen­en Stimmlagen und einer ausdruckss­tarken Gestaltung.

Kirchenmus­ikdirektor Michael Nonnenmach­er, der die Ausführend­en zu einer packenden Darbietung mit treffenden Tempi zusammenfü­hrte, hatte die Chorsänger exzellent vorbereite­t, ebenso das plastisch spielende Orchester Capella St. Anna, das in vielen Details begeistert­e – etwa in energierei­chen Streicher-Tirata, im kantablen FagottSolo oder der Querflöten­begleitung. Der geforderte­n Stille zum Trotz lag Beifall in der Luft.

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