Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wo gehobelt wird, fallen Kalauer
Handel Die meisten Verkäufer kommen schon seit Jahren auf die Augsburger Dult. Sie kennen die Kunden und wissen, wie man sie dazu bringt, Geld auszugeben. Deko hilft, schönes Licht auch – und manch anderer Trick
„Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen frohe Ostern“, sagt Robert Both mit leiser Stimme. Ein Wunsch statt eines flockigen Spruchs – der 50-Jährige lockt seine Kunden gerne so, denn: „Das Laute ist nicht meins. Ich bin überzeugt, dass die Leute eher an den Stand kommen, wenn man einen ruhigen Umgang pflegt.“Nach sechs Jahren auf der Dult erkennt Both die Kaufbereitschaft der Passanten an ihrer Körpersprache. Wer mit den Händen in den Hosentaschen zwischen Vogeltor und Jakobertor flaniert, will nur gucken.
Der Siegeszug des Internets als Verkaufsplatz ging auch an „Augsburgs längstem Freiluftkaufhaus“nicht spurlos vorüber. Doch nur auf der Dult könne man Produkte „live“sehen und berühren, sagt Both. Wenn Eltern „Nicht anfassen!“rufen, widerspricht er gerne. „Die Kinder, die heute bei mir sägen dürfen, kaufen in ein paar Jahren hier ihre erste Säge.“
Joschi Pitsch demonstriert seit 1980 die Vorzüge der Gundel-Pfannen. „Freundlichkeit und ein Lächeln ziehen die Leute an“, weiß der 49-Jährige. Im Gegensatz zu den Besuchern freut sich der Würzburger über schlechtes Wetter: „Kälte macht hungrig. Und wer Hunger hat, kauft Pfannen.“Online kann man Joschi Pitschs Pfannen auch kaufen, doch offline ist er in seinem Element. Das Grundprogramm steht, doch durch die Interaktion mit dem Publikum geht es plötzlich nicht mehr um Pfannen, sondern um Gott und die Welt. Mit seiner Frau Isi reden die Leute gern über ihre Nöte und Freuden, weiß Joschi Pitsch – vom Arztbesuch bis zu Urlaubserlebnissen. Nicht selten entstehen so Freundschaften.
Mit Hightech versucht Heiko Wild Kunden anzuziehen. Bei seinem neuen Stand hat er in LED-Beleuchtung investiert, um Nagelzangen ins rechte Licht zu setzen. Dunkle Stände und alte Planen seien wenig ansprechend, weiß er. Heiko Wild bietet seine Waren auf Märkten und im Internet an. Der Vorteil der Dult: Fachverkäufer und die Möglichkeit, die Dinge in die Hand zu nehmen, um ein Gefühl für Größe und Handling zu bekommen.
Gabriele Gerstmeier setzt zum Kundenfang eine Geheimwaffe ein, die unsichtbar und still ist. Dem Geruch von frischen Bratwürsten und Steaks kann kaum ein Passant widerstehen. Die 63-jährige Augsburgerin steht seit rund 15 Jahren hin- ter der Theke des Dult-Grills. Wo gehobelt wird, da fallen Kalauer. Die Darbietungen der Küchenzubehör-Präsentatoren erinnern an eine Mischung aus Verkaufsfernsehen, Improvisationstheater und Standup-Comedy. „Diesen Hobel gibt es in vier Sprachen: Deutsch, Bayerisch, Katholisch und Evangelisch“, witzelt Daniel Reinhardt. Der 29-Jährige beobachtete seit seiner Kindheit am Marktstand seiner Eltern die Besucher. Diesmal ist er erstmals mit einem eigenen Stand vertreten. „Wenn einer steht, kommen die anderen auch“, sagt er. „Der Mensch ist wie ein Herdentier.“Marion Gozemba (59), die zusammen mit ihrer Tochter Küchengeräte vorführt, ist sicher: „Schenk ein Lächeln und du bekommst eines zurück.“Das Lächeln fällt Elisabeth Conato manchmal schwer, denn es kommen nicht mehr so viele Leute wie vor 20, 30 Jahren. Doch trotz Konkurrenz durch das Internet feiern sie und ihr Mann mit ihren Gemüsehobeln das 40. Dult-Jubliäum. Aus Erfahrung weiß Peter Conato: „Licht und schöne Deko, da kommen die Leute automatisch.“Außerdem müsse man die Leute mit Humor bei Laune halten.
Beim Buchhändler-Ehepaar Manuela und Manfred Klinger sind 70 Prozent der Käufer Stammkunden. Das liegt an der Vielfalt und am Preis, glaubt Manfred Klinger. Die günstigen Preise sind möglich, weil es sich um Lagerreste und Mängelexemplare handelt. Der 54-Jährige bevorzugt den Begriff „modernes Antiquariat“. Ihre Bücher bieten die Klingers auch auf Ebay zur Versteigerung an, doch auf der Dult gelten andere Regeln. Wer hierher kommt, weiß noch nicht, was er will. Manfred Klingers Überzeugung: „Bücher muss ich im Gegensatz zu einem Gemüsehobel nicht schreierisch anpreisen – ein Buch spricht für sich selbst.“