Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Täfertinge­r Schüler lernen nicht schwimmen

Sport Die Kinder im Neusässer Stadtteil haben im nahen Titania-Bad keinen Unterricht, weil es am Fachperson­al fehlt

- VON TOBIAS KARRER

Die Täfertinge­r Kinder haben im nahen Titania-Bad seit Jahren keinen Schwimmunt­erricht, weil es an der kleinen Grundschul­e an Fachperson­al fehlt. Warum das auf Kritik stößt und was die Verantwort­lichen dazu sagen, das lesen Sie auf

Neusäß Wenn Günter Groll aus seinem Fenster in Täfertinge­n schaut, sieht er das Titania-Schwimmbad in nur einem knappen Kilometer Entfernung. Dieses Bad könnte man in seinen Augen ohne Probleme für den Schulsport nutzen. An der Grundschul­e im Neusässer Ortsteil wird allerdings schon seit einigen Jahren kein Schwimmunt­erricht mehr angeboten. Das findet Groll, der auch als Stadtrat tätig ist, „sehr schade“.

Das Thema Schwimmunt­erricht an der Grundschul­e komme immer wieder in den Bürgervers­ammlungen auf, weiß Groll. Deshalb hat er sich der Problemati­k angenommen und steht im Kontakt mit dem Schulamt. Man habe ihn in seiner Ansicht bestätigt, dass der Schwimmunt­erricht eigentlich zum Bildungsau­ftrag einer Schule gehöre. „In der letzten Antwort, die ich bekommen habe, hieß es, dass man sich bemüht“, so Groll.

Er betont: „In den Medien hört man immer wieder, dass es in Deutschlan­d zu wenig Bäder gibt und immer weniger Kinder schwimmen können.“Die meisten Kinder würden mittlerwei­le zwar einen privaten Schwimmkur­s besuchen, man sollte aber auch in der Schule schwimmen lernen. „Denn nicht alle Eltern achten darauf, dass ihre Kinder schwimmen können“, so Groll. Zahlen aus dem vergangene­n Jahr geben ihm recht – 2017 betonte die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft, dass jeder zweite Grundschul­absolvent kein sicherer Schwimmer mehr sei.

Bastian Walcher ist Elternbeir­atsvorsitz­ender der Täfertinge­r Grundschul­e und selbst Lehrer an einem Gymnasium in Augsburg. Er betont: „Der Aufwand und die Auflagen sind sehr hoch.“Es fehle oft an ausgebilde­ten Lehrern und Aufsichtsp­ersonal. Auch an der Schule, an der Walcher selbst tätig ist, ist der Schwimmunt­erricht ein Problem: Die Schüler seien 90 Minuten unterwegs, um zehn Minuten schwimmen zu können, sagt er sehr überspitzt.

Auch Thomas Adleff, der stellvertr­etende fachliche Leiter am Schulamt Augsburg Land, weiß um die Situation in Täfertinge­n. „Damit kann man grundsätzl­ich weder aus elterliche­r Sicht noch aus Sicht des Amtes zufrieden sein“, betont er. Er bestätigt: Keiner der Lehrer vor Ort habe die nötigen Zusatzqual­ifikatione­n. Bei einer kleinen Schule wie Täfertinge­n sei es außerdem nicht einfach, neues Lehrperson­al einzustell­en. Man könne nicht einfach Stammperso­nal von einer Grundschul­e abziehen. Die Möglichkei­ten des Schulamts seien hier sehr eingeschrä­nkt, so Adleff.

Auch Gabriele Kersting, die Schulleite­rin der Täfertinge­r Grundschul­e, findet es sehr bedauerlic­h, dass es an ihrer Schule keinen Schwimmunt­erricht gibt. Sie sieht aktuell aber keine Möglichkei­t, das zu ändern: „Das hängt von den Lehrern ab, die uns zugewiesen werden.“Sie sieht ein generelles Problem und hat selbst die Erfahrung gemacht, dass „die Schwimmfäh­igkeit der Kinder in der Grundschul­e immer weiter abnimmt“. Deshalb bedeute Schwimmunt­erricht für Schule und Lehrer nicht nur viel Aufwand, sondern auch eine große Verantwort­ung. Aus diesem Grund seien viele junge Lehrer nicht mehr bereit, den Schwimmsch­ein zu machen, so Kersting.

Thomas Adleff vom Schulamt sagt: „Wir nehmen dieses Thema sehr ernst. Schwimmen ist eine Alltagskom­petenz, und es darf nicht sein, dass Kinder an weiterführ­ende Schulen kommen und nicht schwimmen können.“Laut Adleff haben sowohl die lokalen Schulämter und die Landesstel­le für Sport mittlerwei­le reagiert und bieten verstärkt Fortbildun­gen an. Die Möglichkei­t zur Weiterbild­ung werde auch wahrgenomm­en. „Oft gibt es Warteliste­n“, so der Vertreter des Schulamtes. Er sieht nur eine Möglichkei­t, wie in Täfertinge­n bald wieder Schwimmunt­erricht angeboten werden könnte: „Die Zusammenar­beit und Vernetzung der Schulen in Neusäß.“Konkret könnte ein für Schwimmunt­erricht ausgebilde­ter Lehrer von einer anderen Schule einige Stunden übernehmen. Spätestens zum kommenden Schuljahr will er zusammen mit den Schulen Möglichkei­ten ausloten, wie auch die Täfertinge­r Grundschül­er wieder Schwimmstu­nden bekommen können. »Kommentar

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Symbolfoto: M. Merk Oft heißt es, dass zu wenige Bäder zur Verfügung stehen, in denen Kinder schwimmen lernen können. Die Schulen haben aber noch ein anderes Problem – es gibt zu wenig ausgebilde­te Fachkräfte, die Schwimmunt­erricht geben könnten.

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