Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Marco Sturm beginnt wieder bei null
hatte sich herausgestellt, dass es den Mitgliedern des Sportgerichts nicht ausschließlich um Baums Wortwahl gegangen war. Ebenso störten sie sich an seinem Habitus während des Spiels. Baum erklärt, dem Schiedsrichter hätte die Summe an Gestiken und Mimiken nicht gepasst, dass er etwa den Kopf geschüttelt habe oder sich die Hände vors Gesicht geschlagen hätte. Während das Sportgericht dies bestrafte, sieht Baum darin nichts Verwerfliches. Baum schlussfolgert daraus, dass es für ihn und seine Trainerkollegen auf Basis seines Urteils immer schwierig werde, das Erlaubte vom Unerlaubten zu trennen. Ihm stellt sich die allgemeine Frage: Was darf ein Bundesligatrainer eigentlich noch am Spielfeldrand? Wie soll er sich in seiner Coachingzone verhal- ten? Baum kritisiert, Schiedsrichter und deren Assistenten würden sich während eines Spiels mehr als nötig den Trainern widmen. Seit dem Vorfall gegen Stuttgart fühlte er sich extrem unter Beobachtung, erzählt Baum und fügt hinzu: „Wenn man sich nach jeder Aktion angegriffen fühlt und nur noch darauf schaut, was macht der Trainer, dann ist das absolute Themaverfehlung.“
Vor seiner Tätigkeit als Fußballtrainer unterrichtete Baum in einer Realschule, bringt soziale Kompetenz im Umgang mit Menschen mit. Er regt an, sich mit dem „sozialadäquaten Verhalten eines Bundesligatrainers“auseinanderzusetzen. Baum bekräftigt: „Allein die Körpersprache kann kein Kriterium sein, um vom Platz zu fliegen.“
Unabhängig von den GeschehnisVerhandlung sen unter der Woche wird Baum am Samstag unter Beobachtung stehen. Fußballfans blicken nach Augsburg, wo der kleine FCA den Titelgewinn des schier übermächtigen FC Bayern hinauszögern will. Ein Sieg würde den Münchnern die sechste Meisterschaft in Serie bescheren, selbst bei einem Unentschieden hätte die Konkurrenz nur mehr theoretische Titelchancen.
Die Augsburger wollen mit ihren Mitteln dagegenhalten, wollen „eklig verteidigen und mutig auftreten“, wie es Linksverteidiger Philipp Max formuliert. Helfen könnte dabei ein Rückkehrer: Alfred Finnbogason steht nach über zweimonatiger Verletzungspause wieder im Kader eines Spiels. Trainer Baum stellt in Aussicht, den isländischen Torjäger von Beginn an aufzubieten.
Neulich gut geträumt: Nach dem sensationellen Gewinn der Silbermedaille von Pyeongchang erlebt die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft goldene Zeiten. Die Sponsoren, die bisher einen weiten Bogen um die schwer zu vermarktende Sportart machten, rennen dem klammen Verband die Bude ein. Jeder will auf einigen Quadratzentimetern des Erfolgstrikots vertreten sein. Der Deutsche Eishockey-Bund schwimmt im Geld, kann seine Spieler inzwischen selbst bezahlen und nicht wie bisher die Klubs übernehmen die Gehälter der Nationalspieler.
So weit der Traum. Die Realität kommt eher grau daher. 41 Tage nachdem ganz Deutschland mit den Puckjägern zitterte, beginnt der Alltag. Die deutsche Nationalmannschaft bestreitet heute ihr erstes Spiel seit Olympia. Der Gegner heißt wieder Russland, doch damit sind die Gemeinsamkeiten beider Partien erschöpft. Das Match heute in Sotschi ist ein besseres Trainingsspiel gegen die vermutlich vierte Mannschaft der Russen. Die besten Profis wie Alexander Owetschkin sind noch in der nordamerikanischen NHL oder in der russischen KHL zugange. Bundestrainer Marco Sturm muss auf die Nationalspieler aus Berlin, München, Mannheim und Nürnberg verzichten. Kein einziger Silbermedaillengewinner steht im Kader.
Wo gibt es denn so etwas? Während in der DEL um den Finaleinzug gekämpft wird, jagt am gleichen Abend die Nationalmannschaft dem Puck hinterher. Doch solche Tests wie heute in Sotschi müssen sein. Selbst wenn ein AEV-Profi wie Jaroslav Hafenrichter sein Länderspiel-Debüt geben wird. Ein Mittelstürmer, der beim DEL-Zwölften Augsburg allerhöchstens in der dritten Reihe aufläuft, soll den Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele nach vorne bringen? Auch das macht Sinn, denn einige Akteure aus dem heutigen Team werden bei der WM ab dem 4. Mai in Dänemark dabei sein und müssen sich in Form halten. Marco Sturm fängt wieder bei null an, muss wieder aus einer Anhäufung von Namenlosen eine Einheit formen. In Südkorea hat das sensationell gut funktioniert.