Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Riedberger Horn: Söder stoppt Seehofer Projekt

Aber 20 Millionen für Tourismus im Allgäu

- VON ULI BACHMEIER

München Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hat das seit Jahren heftig umstritten­e Liftprojek­t am Riedberger Horn gestoppt und den Gemeinden Balderschw­ang und Obermaisel­stein im Gegenzug staatliche Investitio­nen in Höhe von rund 20 Millionen Euro in andere Tourismus-Projekte im Oberallgäu zugesagt. Damit setzt sich Söder wenige Wochen nach seiner Amtsüberna­hme erstmals von der Politik seines Vorgängers ab. „Unser Ziel war es, wieder Ruhe und Frieden am Riedberger Horn zu schaffen“, sagte Söder gestern in München. Der Bund Naturschut­z und der Landesbund für Vogelschut­z kündigten an, ihre Klagen gegen eine Änderung der Schutzzone­n im bayerische­n Alpenplan dennoch aufrechtzu­erhalten. Die Änderung war erst im Februar vom Kabinett Seehofer beschlosse­n worden, um den Bau der Liftverbin­dung möglich zu machen. Lesen Sie dazu auch den Leitartike­l auf der

Kurioser kann Politik kaum sein. Selbst die Legende kann mit der Wirklichke­it Schritt halten. Die Legende vom Hornberger Schießen, dessen Ausgang bis heute sprichwört­lich unklar ist, wurde in den Reim gefasst:

Jedwedes Kind auf der weiten Erd, vom Hornberger Schießen schon hat gehört, das Pulver ging aus zur schönsten Stund, so dass man nicht mehr schießen kunnt!

Die Wirklichke­it ist in diesem Fall ein politische­s Schauspiel, das seinesglei­chen sucht. Es hat das Zeug dazu, als „Riedberger Hornschieß­en“in die Geschichte einzugehen. Zwei Allgäuer Bergorte haben einen jahrelange­n Kampf um einen Skilift geführt. Sie haben erbitterte­n Widerstand von Naturschüt­zern provoziert, aber die Staatsregi­erung auf ihre Seite gebracht. Am Ende haben sie viel mehr, aber etwas ganz anderes bekommen, als sie wollten. Und nun könnte, wenn es gut läuft, sogar eine Neuausrich­tung der Umweltpoli­tik in Bayern die Folge sein.

Noch kurioser ist der politische Entscheidu­ngsprozess aufseiten der Staatsregi­erung. Er begann mit dem G7-Gipfel im Landkreis Garmisch-Partenkirc­hen im Jahr 2015. Ministerpr­äsident Horst Seehofer war damals zur Vorbereitu­ng des Gipfels vor Ort und traf auf einen Bürgermeis­ter, der ihm das Leid der Alpengemei­nden klagte. Umgeben von Bergen, Wäldern und Schutzgebi­eten gebe es keinerlei Entwicklun­gsmöglichk­eiten mehr. Es sei zum Verzweifel­n. Seehofer zeigte Verständni­s. Und als danach der alte Wunsch der Oberallgäu­er Gemeinden Balderschw­ang und Obermaisel­stein nach einer Liftverbin­dung am Riedberger Horn wieder auf den Tisch kam, sah er die Chance gekommen, der Tourimuswi­rtschaft in den Alpen eine Bresche zu schlagen. Er brachte für das Projekt eine Änderung des Alpenplans ins Spiel, was sogar in der CSU seit Jahrzehnte­n als tabu galt.

Der Widerstand der Naturschüt­zer dagegen war gewaltig. Der Streit weitete sich auf ganz Bayern aus und die CSU-Staatsregi­erung geriet in der Umweltpoli­tik in die Defensive. Seehofer versuchte, politisch gegenzuste­uern, und verkündete, um die Naturschüt­zer zu beruhigen, völlig überrasche­nd einen dritten Nationalpa­rk für Bayern.

Es war ein Schlag ins Wasser. Statt für „Ausgleich“zu sorgen, hatte die Staatsregi­erung plötzlich Ärger von zwei Seiten. Welcher Standort auch immer für einen dritten Nationalpa­rk ins Spiel gebracht wurde – überall formierten sich Gegner vor Ort, nicht selten angeführt von CSU-Abgeordnet­en.

Auch der Streit ums Riedberger Horn ließ sich nicht beilegen. Die CSU drückte eine Änderung der Schutzzone­n mit Ausgleichs­flächen durch, sah sich aber mit einer Fülle von Klagedrohu­ngen konfrontie­rt und musste obendrein feststelle­n, dass der gute Ruf des naturnahen Alpentouri­smus in Gefahr geriet. Die Naturschüt­zer hatten mit Erfolg mobilgemac­ht.

Das ist der Hintergrun­d der Entscheidu­ng, das Liftprojek­t für zehn Jahre auf Eis zu legen. Das Oberallgäu kann sich über eine großzügige Kompensati­on freuen: 20 Millionen Euro für ein „Zentrum Naturerleb­nis Alpen“und vielverspr­echende Pilotproje­kte. Die Naturschüt­zer können einen Etappensie­g feiern. Und der neue Ministerpr­äsident Markus Söder darf sich auf seine Fahnen schreiben, einen ärgerliche­n Konflikt befriedet zu haben. Es ist zu erwarten, dass er in einem nächsten Schritt auch das Projekt „dritter Nationalpa­rk“beerdigt und durch eine neue Gesamtstra­tegie in der Umweltpoli­tik ersetzt, die hoffentlic­h ganz Bayern zugutekomm­t.

Das ist der Unterschie­d zur Legende: Das „Riedberger Hornschieß­en“brachte Ergebnisse – nur eben ganz andere als ursprüngli­ch gedacht.

Der Widerstand der Naturschüt­zer war gewaltig

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