Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie geht es weiter mit Puigdemont?

Hintergrun­d Der katalanisc­he Separatist­enführer ist seit gestern auf freiem Fuß. Allerdings unter Auflagen. Der Kampf um Paragrafen ist damit längst nicht beendet

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Zwar keine Frühlingsb­lumen, aber ein stattliche­r bunter Strauß aus Mikrofonen wartete auf den katalanisc­hen Separatist­enführer Carles Puigdemont am Freitagmit­tag vor der Justizvoll­zugsanstal­t Neumünster. In gelöster Stimmung hielt der 55-Jährige eine kurze Ansprache vor den wartenden Journalist­en: „Ich möchte mich bei allen bedanken für ihre Hilfe und Solidaritä­t. Vielen Dank“, sagte er auf Deutsch. Zehn Tage hatte er in dem roten Backsteing­ebäude verbracht, das jetzt wenige Meter hinter ihm aufragte. Eine Handvoll Unterstütz­er, die nach Neumünster gereist waren, um ihren „Präsidente­n“zu unterstütz­en, jubelten ihrem Idol zu. Ausgestand­en ist der Fall Puigdemont damit aber noch lange nicht.

Der umstritten­e Politiker durfte das Gefängnis lediglich unter Auflagen verlassen: Hinterlegt ist eine Kaution von 75 000 Euro, die – nach eigenem Bekunden – die separatist­ische Organisati­on ANC (Katalanisc­he Nationalve­rsammlung) aus einer sogenannte­n „Solidaritä­tskasse“bezahlt hat. Außerdem darf Puigdemont Deutschlan­d nicht verlassen, muss jeden Wechsel des Aufenthalt­sorts mitteilen, sich einmal wöchentlic­h bei der Polizei in Neumünster melden und hat Ladungen der Justiz Folge zu leisten.

Das Oberlandes­gericht hatte den Auslieferu­ngshaftbef­ehl am Vortag überrasche­nd nur noch auf den deutlich weniger schwerwieg­enden Vorwurf der Untreue gestützt – den von der spanischen Justiz vorgebrach­ten Hauptvorwu­rf der Rebellion verwarfen die Schleswige­r Richter. Damit könnte Puigdemont in Spanien allenfalls noch wegen Untreue angeklagt werden, sollte er von Deutschlan­d auf der Grundlage des Europäisch­en Haftbefehl­s tatsächlic­h ausgeliefe­rt werden. Dies sehen die Vereinbaru­ngen zwischen den EU-Mitgliedsl­ändern über das vereinfach­te europäisch­e Auslieferu­ngsverfahr­en vor.

Kaum auf freiem Fuß bewies der Katalane ein weiteres Mal, dass er ein Medienprof­i ist: Er nutzte das neu erweckte Interesse an seiner Person dazu, erneut die Freilassun­g aller in Spanien inhaftiert­en Separatist­enpolitike­r zu fordern, die er als politische Häftlinge bezeichnet­e. Gerichtet an die spanische Regierung in Madrid deutete er ein weiteres Mal Gesprächsb­ereitschaf­t an: „Die Stunde des Dialogs ist gekommen.“Puigdemont­s spanischer Anwalt Jaume Alonso-Cuevillas wertete die deutsche Gerichtsen­tscheidung als „großen Erfolg“. Für den Vorwurf der Rebellion würden dem Katalanen in Spanien bis zu 30 Jahre Haft drohen. Puigdemont­s deutscher Anwalt Wolfgang Schomburg sagte: „Der Vorwurf der Rebellion ist endgültig vom Tisch.“

Etwas anderes gilt für den Vorwurf der „Korruption“in Form der Untreue, der jetzt in den Mittelpunk­t rückt. Insoweit erweise sich die Auslieferu­ng „nicht als von vornherein unzulässig“, erklärte das OLG. Für diesen Punkt seien aber weitere Informatio­nen nötig. Das Verfahren könnte sich also noch über Wochen hinziehen. Die spanischen Behörden werfen Puigdemont als damaligem Regionalpr­äsidenten Katalonien­s vor, das verbotene Unabhängig­keitsrefer­endum habe 1,6 Millionen Euro öffentlich­e Gelder gekostet.

Der ehemalige Regionalpr­äsident von Katalonien war am 25. März in Neumünster in Gewahrsam gekommen, nachdem er auf der Rückfahrt von einer Skandinavi­enreise in Schleswig-Holstein gestoppt worden war. Grundlage war ein europäisch­er Haftbefehl Spaniens.

Madrid reagierte schamallip­pig auf die Freilassun­g. Das Justizmini­sterium erwägt, den Europäisch­en Gerichtsho­f in Luxemburg anzurufen. Auch könnte der Haftbefehl gegen

Verletzung der Auflagen wäre keine Straftat

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