Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein schlüssiger Richterspruch
An Hysterie grenzte so manche Reaktion nach der Festnahme von Carles Puigdemont. Die einen raunten, dass eine Auslieferung des Separatisten nach Spanien der Verstoßung eines politischen Gefangenen in ein rechtslastiges Unrechtsregime gleichkäme. Befürworter der Auslieferung warnten vor irreparablen Schäden im Verhältnis zum befreundeten Spanien, wenn er nicht der dortigen Justiz überstellt werden sollte.
Ein schlüssiger Richterspruch hat die Aufregung zu guten Teilen in sich zusammenfallen lassen. Gleichzeitig hat er die Position Puigdemonts verbessert. Denn der Vorwurf der Rebellion ist passé, und zwar auch für die spanischen Richter. Bleibt der ungleich stichhaltigere Vorwurf der Untreue. Auch ein deutscher Bürgermeister, der auf eigene Faust eine nicht legale Befragung seiner Bürger durchführt, hätte ein Problem damit, Geldausgaben dafür zu rechtfertigen. Sollte sich Puigdemont einem deutschen Verfahren tatsächlich bis zur Entscheidung stellen, wäre seine Auslieferung sehr wahrscheinlich.
Madrid sollte sich bis dahin überlegen, ob kompromisslose Härte und Drohungen nicht viel eher den Separatisten helfen. Puigdemont womöglich wieder zurückgezogen werden – mit dem Ziel, ihn in einem anderen Land festnehmen und das Auslieferungsbegehren wegen Rebellion noch einmal durchexerzieren zu lassen.
Gewiss scheint immerhin, dass sich die Situation Puigdemonts entscheidend verbessert hat. So hätte er vermutlich eine gute Chance, Deutschland unbehelligt zu verlassen. Denn zur Fahndung dürfte er auch dann nicht ausgeschrieben werden, wenn er sich beispielsweise nicht an die Meldepflicht hält. Schließlich verweisen Experten auf den Umstand, dass die Verletzung von Auflagen in Deutschland kein Straftatbestand ist.
Puigdemont verriet gestern nur so viel per Twitter: Er werde jetzt nach Berlin reisen.