Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Natur pur am Riedberger Horn

Bergwelt Die größten Befürworte­r der Skischauke­l im Oberallgäu erklären einträchti­g deren Aus. Jetzt soll der Ökotourism­us gefördert werden. Für Naturschüt­zer hat die Sache einen großen Haken

- VON ULI BACHMEIER UND HENRY STERN

München So schnell kann sich die Stimmung ändern. Jahrelang hatten der Oberallgäu­er Landrat Anton Klotz, die Bürgermeis­ter Konrad Kienle (Balderschw­ang) und Peter Stehle (Obermaisel­stein) sowie der Allgäuer Landtagsab­geordnete Eric Beißwenger (alle CSU) das heftig umstritten­e Liftprojek­t am Riedberger Horn gefordert. Doch als sie gestern in München in einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) das vorläufige Aus für die Liftverbin­dung verkündete­n, zeigten sie sich überrasche­nd glücklich und zufrieden. Der Grund war offensicht­lich: Söder hat dem Oberallgäu als Kompensati­on für den Verzicht auf den Lift staatliche Investitio­nen im Umfang von 20 Millionen Euro zugesagt – unter anderem für ein „Zentrum Naturerleb­nis Alpin“am Riedberger Horn, für den Ausbau der digitalen und verkehrlic­hen Infrastruk­tur sowie der Förderung des Skisports in der Region.

Söder begründete den Stopp des Projekts für zunächst zehn Jahre mit dem anhaltende­n politische­n Streit und den drohenden jahrelange­n gerichtlic­hen Auseinande­rsetzungen. „Unser Ziel war, wieder Ruhe und Frieden am Riedberger Horn zu schaffen“, sagte der Ministerpr­äsident. „Wir ziehen heute einen Schlussstr­ich unter eine aufgeregte politische Debatte.“Eine Rücknahme der Änderung des bayerische­n Alpenplans, die vom Kabinett unter seinem Vorgänger Horst Seehofer erst im Februar beschlosse­n worden war, lehnte Söder allerdings ab. „Was beschlosse­n wurde, das bleibt so“, sagte Söder. Die Forderung, den Alpenplan jetzt erneut zu ändern, nannte er „echt albern“.

Die Kommunalpo­litiker aus dem Allgäu ließen Erleichter­ung erkennen über das Ende des Streits. „Politik ist im Grunde genommen die Kunst des Machbaren“, sagte Landrat Klotz und verwies auf die breite emotionale Gegnerscha­ft zu dem Projekt. Bürgermeis­ter Kienle dankte Söder dafür, dass er einen „gordischen Knoten“zerschlage­n habe. Sein Kollege Stehle verwies auf die Wirkung der Debatte über das Allgäu hinaus: „Das Riedberger Horn ist jetzt deutschlan­dweit bekannt, wir wollen, dass es künftig aus positiven Gründen bekannt bleibt.“Und der Abgeordnet­e Beißwenger, der die Entscheidu­ng in Gesprächen mit allen Beteiligte­n vorbereite­t hatte, gab sich zuversicht­lich: „Hier gibt es heute nur Gewinner.“Erfreut über die Entscheidu­ng Söders zeigte sich auch Bayerns Umweltmini­ster Marcel Huber, dessen Vorgängeri­n Ulrike Scharf stets gegen das Liftprojek­t argumentie­rt hatte, sich letztlich aber Seehofers Kurs hatte beugen müssen. „Naturvertr­äglicher ÖkoTourism­us ist der Weg in die Zukunft. Ich bin erleichter­t und froh, dass die Gemeinden dieses Potenzial nutzen wollen und ihr Augenmerk darauf richten, den Menschen die einzigarti­ge alpine Bergwelt vor Ort auf umweltvert­rägliche Art näher zu bringen“, sagte Huber.

Die bayerische­n Umweltverb­ände bleiben allerdings skeptisch. Sie wollen an ihrer Normenkont­rollklage gegen die Änderung des Alpenplans trotz Söders Kehrtwende festhalten: „Wir klagen ja nicht gegen den Bau einer Skischauke­l, sondern gegen einen Frontalang­riff auf den Alpenplan“, erklärte Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV). Die Änderung des Alpenplans im Landesentw­icklungspr­ogramm habe eine willkürlic­he Rücknahme bestehende­r Naturschut­zzonen ermöglicht. „Das halten wir für rechtlich nicht zulässig“, sagte Schäffer. „Schutzgebi­ete können nicht nach Belieben hin- und hergeschob­en werden.“

Der Landesbeau­ftragte des Bund Naturschut­z, Richard Mergner, verwies zudem auf die rechtliche Unverbindl­ichkeit von Söders Ankündigun­g, auf die Skischauke­l zu verzichten. Dieses Verspreche­n des neuen Ministerpr­äsidenten sei schließlic­h nur auf zehn Jahre begrenzt: „Wir werden an dieser Klage festhalten, weil weiter ein Damoklessc­hwert über dem Riedberger Horn hängt“, sagte Mergner. Gleichzeit­ig reiche man aber den Kommunalpo­litikern vor Ort „zur ökologisch­en, nachhaltig­en Weiterentw­icklung des Tourismus die Hand“, beteuerte Mergner. Schließlic­h habe Söder in seinem Alternativ­konzept

Söder verspricht 20 Millionen Euro

Umweltpoli­tiker beklagt „Ausverkauf der Natur“

viele langjährig­e Vorschläge der Naturschüt­zer aufgegriff­en.

Ludwig Hartmann, der Fraktionsc­hef der Grünen im Landtag, wertete Söders Entscheidu­ng als „Etappensie­g“für mehr Umweltund Naturschut­z in Bayern. Der Proteststu­rm habe Söder „gezwungen, sich zu drehen“. Der SPDUmweltp­olitiker Florian von Brunn forderte ein grundsätzl­iches Umdenken in der Alpenpolit­ik. „Der Ausverkauf der unwiederbr­inglichen Natur muss gestoppt werden“, sagte er. Nötig sei „eine stärkere Förderung eines naturvertr­äglichen Tourismus im Alpenraum.

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Foto: Michael Munkler Keine Skischauke­l soll künftig die Idylle am Riedberger Horn stören. Allerdings gilt der Stopp des Projekts nur für zehn Jahre. Auch die Aufhebung der Naturschut­zzonen soll nicht rückgängig gemacht werden.

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