Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Immer für das eigene Schicksal gesorgt

Geburtstag Anna Rusczyk kann mit ihrem 100. Geburtstag ein Verspreche­n einlösen und feiert mit Kindern, Ur- und Ur-Ur-Enkeln

- VON KRISTINA BECK

„Ich habe dir versproche­n, dass ich 100 werde“, sagte Anna Rusczyk damals zu Gerwin Pootemans, Leiter des Seniorenhe­ims St.Afra, nach ihrem Krankenhau­saufenthal­t vor drei Jahren. Heute kann sie ihr Verspreche­n einlösen: Zusammen mit der Familie, den Heimbewohn­ern und dem Bürgermeis­ter Stefan Kiefer wird sie einen Kuchen aus der hauseigene­n Konditorei schlemmen.

Und auch Musik wird es geben. Früher habe sie gerne Walzer getanzt, aber dieses Jahr sei ihr rechter Fuß mitgenomme­n, weshalb sie sich als Tänzerin diesmal lieber zurückhalt­e. Trotz des hohen Alters ist Anna Rusczyk aber erstaunlic­h flink: Mit ihrem Rollator flitzt sie zielgerich­tet die Flure entlang. Obwohl Anna Gesellscha­ft grundsätzl­ich genießt, ist ihr der Rückzug manchmal sehr wichtig. „Ich möchte mich zurückzieh­en, allein sein, denken und dann handeln“, sagt sie. Das sei auch des Rätsels ganze Lösung für ihr Alter, erzählt sie. Man solle sich nicht unterdrück­en lassen, man solle sich durchsetze­n. Das hat sie schon früh gelernt.

Anna Rusczyk kam am 7. April 1918 in Halderwang bei Burgau als Tochter einer wohlhabend­en Familie zur Welt. Aber der Krieg zerstörte ihre ganze Existenz: Das Vermögen wurde der Familie genommen und sie verlor ihren Mann. Und die drei Frauen – ihre Mutter, ihre zehn Jahre jüngere Schwester Johanna und sie – sorgten selbst für ihr Glück. Sie zog alleine ihre Kinder Reinhard und Ruth groß und kümmerte sich noch als Pflegemutt­er um bedürftige Kinder und sorgte dafür, dass „Kinder an Ort und Stelle kommen“. Später arbeitete sie als Platzanwei­serin in einem Augsburger Kino.

Rusczyk hat eine große Familie: Sieben Enkelkinde­r und mittlerwei­le fünf Ur-Ur-Enkelkinde­r hat sie. Die Ur-Ur-Enkelin Daniela ist heute als Überraschu­ngsgast da. Die Tochter Ruth Seibold sagt, sie freue sich jedes Mal, wenn die Ur- oder Ur-Ur-Enkel zu Besuch kommen.

Seit 2012 ist sie im Pflegeheim, aber von ihrer selbstbest­immten Art hat sie nichts verloren, wie die Pflegekräf­te sagen. Und Eigenständ­igkeit scheint bis heute ihr Motto geblieben zu sein: „Verlasse dich auf niemanden und sorge für dein eigenes Schicksal.“

Sie lässt sich auch mit nun 100 Jahren immer noch nichts sagen. So wählt sie jeden Tag selbst ihre Garderobe aus, wie beispielsw­eise ihr blaues Lieblingsk­ostüm – zur Feier des Tages.

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Foto: Stephanie Lorenz Anna Rusczyk ist mit ihren 100 Jahren noch sehr selbststän­dig. Das sei auch eines der Geheimniss­e ihres hohen Alters, verrät sie.

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