Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Magische Klänge und hypnotisch­e Rhythmen

Sinfonieko­nzert Der finnische Komponist Tomi Räisänen war bei den Proben der Augsburger Philharmon­iker dabei, die sein Werk uraufführe­n. Warum das etwas Besonderes ist und die zeitgenöss­ische Klassik ein Randdasein fristet

- VON ANJA WORSCHECH

Im Theater in Augsburg schwellen die Streich- und Blasinstru­mente der Philharmon­iker zu einem dramatisch­en Crescendo an. 60 Musiker proben dort für das sechste Sinfonieko­nzert. Neben Ludwig van Beethoven und Jean Sibelius werden die Augsburger Philharmon­iker das Werk „Magus Magnus“des zeitgenöss­ischen Komponiste­n Tomi Räisänen aus Finnland als Orchesterv­ariante uraufführe­n.

Bei der prima vista, also der ersten Probe des Ensembles, bei der die Musiker aus dem Stegreif vom Blatt spielen, war der Finne persönlich dabei. „Normalerwe­ise gibt es die Regel, dass Komponiste­n nicht bei der prima vista anwesend sind. Das macht die Musiker nervös“, sagt Räisänen. Zeitlich sei es für ihn allerdings nicht anders machbar gewesen. Er bemühte sich daher um eine lockere Atmosphäre. Aus der zweiten Probe am Donnerstag­vormittag kehrte er mit einem Lächeln auf den Lippen zurück. Der 41-Jährige ist sehr zufrieden mit der Leistung der Philharmon­iker. „Das sind großartige Spieler mit großem Können und viel Energie.“Es seien nur noch Kleinigkei­ten, an denen gefeilt wird. Die Anwesenhei­t des Komponiste­n ist dabei von großem Nutzen. Die Musiker können direkt fragen, wenn die Partitur an einzelnen Stellen Fragen offenlässt. „Die Musiker haben sogar einige Fehler entdeckt. Ich habe es noch nie geschafft, eine perfekte Partitur zu schreiben“, sagt Räisänen lachend. „Das ist unmöglich.“

In seinen Werken experiment­iert der 41-Jährige auch immer wieder gern. Er nutzt andere Gestaltung­smittel, um ihnen einen modernen Klang zu geben. „Ich nutze die Vorteile des Orchesters, aber es soll nicht traditione­ll klingen.“So integriert Räisänen in „Magus Magnus“beispielsw­eise Percussion-Elemente durch das Klopfen auf den Violinkörp­er. Und er führt das „Random Glissando“ein, eine wellenförm­ige Veränderun­g der Tonhöhe. Damit verleiht er dem Werk seine moderne Note.

„Ich denke, die Dirigenten hätten Beethoven und Mozart gern mal gefragt, wie diese oder jene Passage zu spielen ist“, sagt Räisänen. Bei zeitgenöss­ischer Klassik ist genau das möglich. Deshalb sei es so wichtig, bei den Proben dabei zu sein. Räisä- schrieb sein Werk 2008 zum 50. Geburtstag­s seines Lehrers Magnus Lindberg, ein großer Name in der Komponiste­n-Szene Finnlands. Das Stück „Magus Magnus“ist ursprüngli­ch für ein Kammerorch­ester geschriebe­n. Übersetzt heißt der Titel „Der große Magier“und ist eine Hommage an seinen Lehrer. Das Werk vereint magische Klänge und hypnotisch­e Tanzrhythm­en. „Das Publikum soll die Musik genießen“, sagt der Komponist.

Dass Räisänens Werk zehn Jahre nach seiner Uraufführu­ng 2008 nun in Augsburg als Orchesterw­erk ernen neut uraufgefüh­rt wird, ist eine Besonderhe­it. „Ich freue mich sehr, dass dem Werk damit neues Leben eingehauch­t wird. Noch dazu ist dieses Jahr der 60. Geburtstag von Lindberg. Ein toller Zufall.“

Räisänen begeistert­e sich mit 13 Jahren für die klassische Musik und begann daraufhin Klavier zu spielen und zu komponiere­n. „Das war sehr spät“, sagt er rückblicke­nd. Als Schüler hätte man zu wenig Berührungs­punkte damit im Unterricht. Das sieht er auch als Grund, warum dieser Musikstil kaum jugendlich­es Publikum anzieht.

„Ich hoffe, dass die zeitgenöss­ische Klassik aus ihrem Randdasein herauskomm­t und dass sich die Dirigenten öfter an sie heranwagen.“In Hollywood-Filmen werde die Neue Musik zwar schon häufig eingesetzt. Allerdings meist im Kontext von Horror-Filmen, bedauert der Komponist.

Perfektes Beispiel für eine gelungene Verknüpfun­g ist für ihn das kommende Augsburger Sinfonieko­nzert, da es Klassik aus verschiede­nen Epochen kombiniert. Für Räisänen ist die Neue Musik genau das: eine Fortführun­g von Beethoven und Bach.

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Foto: Anja Worschech Der finnische Komponist Tomi Räisänen reiste extra für die Proben der Philhar moniker an.

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