Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Niemand will jahrelang am Limit arbeiten
ständige Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD).
Im Fall von Personalausfällen werden die Arbeiten in den Teams aufgeteilt, heißt es. Kiefer betont, wie schwierig es sei, entsprechendes Personal zu finden. „Neue Mitarbeiter, speziell für den Leistungsbereich mit dem erforderlichen Fachwissen, sind auf dem Arbeitsmarkt in der Regel nicht zu finden. Daher versucht das Jobcenter, Bewerber mit Kenntnissen zu akquirieren, die eine Einarbeitung in das Aufgabengebiet ermöglichen.“Außerdem seien das Auswahlverfahren und die Einarbeitung der neuen Mitarbeiter sehr zeit- und arbeitsaufwendig. Das führe dazu, dass Stellen nicht so schnell nachbesetzt werden könnten, wie gewünscht.
Das fehlende Personal macht sich auch in den Arbeitsabläufen des Jobcenters bemerkbar. Am 22. Januar schrieb Geschäftsführer Eckart Wieja deshalb eine Arbeitsanweisung an seine Mitarbeiter. Thema: „Sicherstellung der Leistungen – Priorisierung der Aufgaben“. Darin betont der Chef des Jobcenters, dass die Sicherstellung der Leistungen beziehungsweise des Lebensunterhalts der Kunden die wichtigste Aufgabe des Personals sei. „Dieses Ziel dürfen wir, trotz erheblicher Mehrbelastungen aufgrund Einführung der E-Akte und personeller Vakanzen, nicht aus den Augen verlieren.“Dafür nehme er auch in Kauf, dass Fristen verstreichen, Überzahlungen und Verjährungen drohen oder andere Poststücke nicht zeit- und fristgerecht umgesetzt werden können.
Nach Angaben des JobcenterMitarbeiters haben sich die Bearbeitungszeiten erheblich verlängert. So bräuchten die Mitarbeiter derzeit etwa sechs Wochen für einen Antrag zur Weiterbewilligung von Leistungen, andere Vorgänge könnten gar nicht bearbeitet werden, sodass sich riesige Rückstände aufgebaut hätten. Kiefer: „Die Bearbeitung eines Antrags auf Weiterbewilligung dauert ab dem Zeitpunkt der Abgabe der vollständigen Antragsunterlagen derzeit 19 Tage. Dies bedeutet aber nicht, dass der Antragsteller verspätet Leistungen erhält.“
Dass sich in den vergangenen drei Jahren die Arbeitsbedingungen im Jobcenter nicht wesentlich verbessert haben, will der Sozialreferent so nicht stehen lassen. Das Jobcenter habe bereits 2015 begonnen, mit den Mitarbeitern Belastungssituationen zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. „Dazu wurden eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt und anschließend ein Arbeitskreis gebildet, der an diesen Themen arbeitet und Ergebnisse mit der Geschäftsführung umsetzt“, sagt Kiefer. Künftig soll es auch leichter werden, frei werdende Stellen zügiger zu besetzen. Dafür wurde ein neues Einarbeitungs- und Qualifizierungsprojekt im Zusammenwirken mit der Stadt Augsburg, dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit und mit der Bayerischen Verwaltungsschule erarbeitet, das bald startet. Dann werden Mitarbeiter extern eingearbeitet und geschult. Das Personal soll je nach Bedarf dem Jobcenter zur Verfügung gestellt werden können. »Kommentar
Drei Jahre sind eine lange Zeit. Zeit, in der man Dinge verändern könnte. Doch auf den ersten Blick hat sich in dieser Zeitspanne im Augsburger Jobcenter offenbar wenig getan. Die Mitarbeiter klagen immer noch über eine zu hohe Arbeitsbelastung und unbesetzte Stellen. Die anfänglichen Maßnahmen sind schnell verpufft.
Das kommt nicht von ungefähr: Das Jobcenter wird von der Bundesagentur für Arbeit und der Stadt Augsburg gemeinsam betrieben. Ein Konstrukt, das die Arbeitsabläufe verkompliziert. Denn wenn bundesweit eine E-Akte eingeführt wird, muss das auch hier umgesetzt werden. Lokale Begebenheiten wie Personalstand oder zusätzliches Arbeitsaufkommen durch den Zuzug von Flüchtlingen interessieren da wenig.
Dass im Jobcenter Mitarbeiter der Bundesagentur und der Stadt Augsburg gemeinsam arbeiten, aber unterschiedlich bezahlt werden – das Personal der Bundesagentur erhält mehr Gehalt – macht die Sache nicht besser. Frust ist programmiert. In anderen Kommunen wird den städtischen Mitarbeitern ein Ausgleich bezahlt.
Die Trägerversammlung, also Vertreter von Stadt und Arbeitsagentur, hat reagiert: Es wurden Arbeitskreise gegründet. Es gibt konkrete Ideen, wie künftig dauerhaft genügend Personal zur Verfügung stehen soll. Das ist gut, doch die Umsetzung erfolgt reichlich spät. Niemand kann und will jahrelang am Limit arbeiten. Die Verantwortung, die die Stadt und auch die Arbeitsagentur gegenüber ihren Mitarbeitern hat, muss ernst genommen werden. Zum einem zum Wohl der Mitarbeiter, zum anderen, weil sie für die Daseinsfürsorge zuständig sind, für die Existenzsicherungen von Bürgern, die sich in Not befinden.