Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Geheimnisse des Autoverkaufs
Unser Thema II Vier Experten erzählen vom Reiz ihres Berufs und wie sie die Wünsche ihrer Kunden herausfinden. Denn es gibt verschiedene Typen von Autokäufern. Wir versuchen eine Typologie
Schwabmünchen Sie ähneln sich alle, diese Autohäuser. Der Köder für die Kunden sind die Wagen, die sich im Hof vor dem Autohandel reihen. Die edelsten und neusten Karossen warten aber im Inneren des Geschäfts auf ihren Käufer, hinter der gläsernen Fassade, im Warmen und Trocknen. Auf weißen Fließen in Szene gesetzt, gut beleuchtet, stehen sie neben einer Sitzecke für das vertrauliche Kundengespräch. Im Hintergrund spielt dazu sanft und möglichst unaufdringlich ein Radio.
Dieser Raum ist der Arbeitsplatz der Autoverkäufer. Sie sind die Vermittler, die Zahnräder zwischen den großen Firmen, den Kunden und dem Fahrzeug. Nebil Moure ist einer dieser Autohändler. Fragt man ihn, was einen guten Autoverkäufer ausmacht, grübelt er kurz. Dann lächelt er und sagt: „Freundlichkeit, gute Menschenkenntnis, technisches Wissen.“Moure betreibt einen Seat-Handel im Norden Schwabmünchens. Seit mehr als 35 Jahren ist er Autoverkäufer.
Blickt er durch die Glasfassade seines Geschäfts ins Freie, sieht er 100 Meter weiter den MercedesHandel Medele Schäfer. Der dortige Verkaufsberater Simon Socher sagt: „Seriös und verbindlich sollte ein Verkäufer sein. Autokaufen ist Vertrauenssache.“Ein bisschen habe das auch mit Charakter und Talent zu tun, erklärt der Verkaufsleiter Christoph Menter: „Verkäufer ist man oder ist man nicht.“Natürlich gebe es eine professionelle Ausbildung, Taktiken und Techniken, Schulungen vor der Videokamera mit fiktiven Kunden. Aber: „Man darf auch keine Wissenschaft daraus machen“, sagt Menter.
Auf die richtige Art des Smalltalks komme es an, erklärt Andreas Moser, der Verkaufsleiter bei BMW Müller&Klöck in Schwabmünchen ist: „Möglichst viele Fragen stellen und darauf achten, dass man eine gemeinsame Wellenlänge mit dem Kunden findet.“Bedarfsanalyse heißt das im trockenen Fachjargon.
Der Reiz dieses Berufs liege vor allem in der Vielfalt, erklärt Simon Socher: „Es ist ein total abwechslungsreicher Job, wir treffen Kunden unterschiedlichster Art.“Auch Nebil Moure muss nicht lange überlegen, um die schönen Seiten seines Jobs zu nennen: „Die Menschen, die Kunden – nicht der Verkauf an sich. Es erfüllt mich, wenn der Kunde glücklich ist.“
Doch der Weg zum großen Autoglück sieht von Mensch zu Mensch, von Kunde zu Kunde ein wenig anders aus. Wir wagen im Folgenden eine kleine Typologie und Charakteristik der Autokäufer:
● Der Treue bleibt gerne bei der Marke seiner Wahl. Oder wie Andreas Moser sagt: „Wenn Papi schon einen Dienstwagen fährt, dann kauft er auch privat mal ein Auto derselben Marke, zum Beispiel, wenn sich die Familie erweitert.“ Und da setzt die Bedarfsanalyse an: Für Familien würde Moser zum geräumigen Van raten, allein schon wegen des Stauraums.
● Der individuell Vernetzte nutzt alle Tricks und Optionen der modernen Technik. „Die Digitalisierung hält jetzt auch in der Automobilbranche Einzug“, erklärt Andreas Moser. Mit dem Handy ist der Computer auf Rädern längst verknüpft. „Für die jungen Menschen ist das wichtig: Habe ich Siri? Habe ich WhatsApp?“, sagt Simon Socher. Digitale Services auf Smartphones können heute mit dem Computer des Autos verbunden werden. So könne der Fahrer seine Apps nutzen, erklärt Nebil Moure. Da lässt sich auch die Sitzheizung per Handy anschalten, bevor man frühmorgens einen Schritt vor die Tür gesetzt hat.
● Der Unberechenbare schafft es, selbst den erfahrensten Autohändler zu überraschen. „Wir haben viele Kunden, die in Arbeitskleidung erscheinen und hochklassige Fahrzeuge kaufen“, erzählt Christoph Menter. Auch Andreas Moser berichtet von ähnlichen Erlebnissen: „Man darf nie den Fehler machen, einen Käufer nach dem Äußeren zu beurteilen.“
● Der Kritische will es genau wissen. „Der Kunde informiert sich heute vorab im Internet, vergleicht Angebote. Da braucht es erst einmal ein halbes Jahr, bis er kauft“, erzählt Moure. Die aktuellste Sorge, die den Kritischen beschäftigt, ist die Dieseldebatte. „Die Leute sind verunsichert wegen eines drohenden Dieselfahrverbots“, erzählt Andreas Moser. Der Seat-Händler Moure hat selbst einen enormen Preissturz seiner Dieselmodelle erlebt.
Und dann gibt es noch einen heiklen Aspekt, auf den nicht nur Schwaben einen kritischen Blick werfen – den Kaufpreis. „Verhandelt wird am Ende immer“, sagt Simon Socher. ● Der Umweltbewusste folgt seinem grünen Gewissen. Vor allem ältere Kunden interessierten sich für umweltfreundliche Elektro- und Hybridantriebe, erklärt Simon Socher. Das sei allerdings auch der Kostenfrage geschuldet. „Solche Autos sind in der Anschaffung teuer. Generell muss die E-Mobilität günstiger werden“, sagt Christoph Menter.
● Der Städter hat die Wahl. Ihm bieten sich weit mehr Möglichkeit der Mobilität als dem Landbewohner. Ein eigenes Auto? Nicht unbedingt nötig. „In Städten wie Berlin und München gibt es Car-Sharing an jeder Ecke“, erklärt BMW-Verkäufer Moser. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel bieten eine Alternative. Doch der Stadtverkehr ist zugleich auch eine Bühne für ein schickes Gefährt. Moser deutet dabei auf ein neues SUV-Modell – ein „City Cruiser“, der vor allem „besser verdienende junge Leute“anziehen soll.