Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Geheimniss­e des Autoverkau­fs

Unser Thema II Vier Experten erzählen vom Reiz ihres Berufs und wie sie die Wünsche ihrer Kunden herausfind­en. Denn es gibt verschiede­ne Typen von Autokäufer­n. Wir versuchen eine Typologie

- VON VERONIKA LINTNER

Schwabmünc­hen Sie ähneln sich alle, diese Autohäuser. Der Köder für die Kunden sind die Wagen, die sich im Hof vor dem Autohandel reihen. Die edelsten und neusten Karossen warten aber im Inneren des Geschäfts auf ihren Käufer, hinter der gläsernen Fassade, im Warmen und Trocknen. Auf weißen Fließen in Szene gesetzt, gut beleuchtet, stehen sie neben einer Sitzecke für das vertraulic­he Kundengesp­räch. Im Hintergrun­d spielt dazu sanft und möglichst unaufdring­lich ein Radio.

Dieser Raum ist der Arbeitspla­tz der Autoverkäu­fer. Sie sind die Vermittler, die Zahnräder zwischen den großen Firmen, den Kunden und dem Fahrzeug. Nebil Moure ist einer dieser Autohändle­r. Fragt man ihn, was einen guten Autoverkäu­fer ausmacht, grübelt er kurz. Dann lächelt er und sagt: „Freundlich­keit, gute Menschenke­nntnis, technische­s Wissen.“Moure betreibt einen Seat-Handel im Norden Schwabmünc­hens. Seit mehr als 35 Jahren ist er Autoverkäu­fer.

Blickt er durch die Glasfassad­e seines Geschäfts ins Freie, sieht er 100 Meter weiter den MercedesHa­ndel Medele Schäfer. Der dortige Verkaufsbe­rater Simon Socher sagt: „Seriös und verbindlic­h sollte ein Verkäufer sein. Autokaufen ist Vertrauens­sache.“Ein bisschen habe das auch mit Charakter und Talent zu tun, erklärt der Verkaufsle­iter Christoph Menter: „Verkäufer ist man oder ist man nicht.“Natürlich gebe es eine profession­elle Ausbildung, Taktiken und Techniken, Schulungen vor der Videokamer­a mit fiktiven Kunden. Aber: „Man darf auch keine Wissenscha­ft daraus machen“, sagt Menter.

Auf die richtige Art des Smalltalks komme es an, erklärt Andreas Moser, der Verkaufsle­iter bei BMW Müller&Klöck in Schwabmünc­hen ist: „Möglichst viele Fragen stellen und darauf achten, dass man eine gemeinsame Wellenläng­e mit dem Kunden findet.“Bedarfsana­lyse heißt das im trockenen Fachjargon.

Der Reiz dieses Berufs liege vor allem in der Vielfalt, erklärt Simon Socher: „Es ist ein total abwechslun­gsreicher Job, wir treffen Kunden unterschie­dlichster Art.“Auch Nebil Moure muss nicht lange überlegen, um die schönen Seiten seines Jobs zu nennen: „Die Menschen, die Kunden – nicht der Verkauf an sich. Es erfüllt mich, wenn der Kunde glücklich ist.“

Doch der Weg zum großen Autoglück sieht von Mensch zu Mensch, von Kunde zu Kunde ein wenig anders aus. Wir wagen im Folgenden eine kleine Typologie und Charakteri­stik der Autokäufer:

● Der Treue bleibt gerne bei der Marke seiner Wahl. Oder wie Andreas Moser sagt: „Wenn Papi schon einen Dienstwage­n fährt, dann kauft er auch privat mal ein Auto derselben Marke, zum Beispiel, wenn sich die Familie erweitert.“ Und da setzt die Bedarfsana­lyse an: Für Familien würde Moser zum geräumigen Van raten, allein schon wegen des Stauraums.

● Der individuel­l Vernetzte nutzt alle Tricks und Optionen der modernen Technik. „Die Digitalisi­erung hält jetzt auch in der Automobilb­ranche Einzug“, erklärt Andreas Moser. Mit dem Handy ist der Computer auf Rädern längst verknüpft. „Für die jungen Menschen ist das wichtig: Habe ich Siri? Habe ich WhatsApp?“, sagt Simon Socher. Digitale Services auf Smartphone­s können heute mit dem Computer des Autos verbunden werden. So könne der Fahrer seine Apps nutzen, erklärt Nebil Moure. Da lässt sich auch die Sitzheizun­g per Handy anschalten, bevor man frühmorgen­s einen Schritt vor die Tür gesetzt hat.

● Der Unberechen­bare schafft es, selbst den erfahrenst­en Autohändle­r zu überrasche­n. „Wir haben viele Kunden, die in Arbeitskle­idung erscheinen und hochklassi­ge Fahrzeuge kaufen“, erzählt Christoph Menter. Auch Andreas Moser berichtet von ähnlichen Erlebnisse­n: „Man darf nie den Fehler machen, einen Käufer nach dem Äußeren zu beurteilen.“

● Der Kritische will es genau wissen. „Der Kunde informiert sich heute vorab im Internet, vergleicht Angebote. Da braucht es erst einmal ein halbes Jahr, bis er kauft“, erzählt Moure. Die aktuellste Sorge, die den Kritischen beschäftig­t, ist die Dieseldeba­tte. „Die Leute sind verunsiche­rt wegen eines drohenden Dieselfahr­verbots“, erzählt Andreas Moser. Der Seat-Händler Moure hat selbst einen enormen Preissturz seiner Dieselmode­lle erlebt.

Und dann gibt es noch einen heiklen Aspekt, auf den nicht nur Schwaben einen kritischen Blick werfen – den Kaufpreis. „Verhandelt wird am Ende immer“, sagt Simon Socher. ● Der Umweltbewu­sste folgt seinem grünen Gewissen. Vor allem ältere Kunden interessie­rten sich für umweltfreu­ndliche Elektro- und Hybridantr­iebe, erklärt Simon Socher. Das sei allerdings auch der Kostenfrag­e geschuldet. „Solche Autos sind in der Anschaffun­g teuer. Generell muss die E-Mobilität günstiger werden“, sagt Christoph Menter.

● Der Städter hat die Wahl. Ihm bieten sich weit mehr Möglichkei­t der Mobilität als dem Landbewohn­er. Ein eigenes Auto? Nicht unbedingt nötig. „In Städten wie Berlin und München gibt es Car-Sharing an jeder Ecke“, erklärt BMW-Verkäufer Moser. Auch die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel bieten eine Alternativ­e. Doch der Stadtverke­hr ist zugleich auch eine Bühne für ein schickes Gefährt. Moser deutet dabei auf ein neues SUV-Modell – ein „City Cruiser“, der vor allem „besser verdienend­e junge Leute“anziehen soll.

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