Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Brauchen wir noch die Deutsche Bank?

Leitartike­l Das größte private Finanzhaus des Landes ist angeschlag­en und befindet sich in einem chaotische­n Zustand. Nur ein Befreiungs­schlag kann das Institut retten

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Der frühere Deutsche-BankVorsta­nd Ulrich Cartellier­i irrte sich nur in der Zeit, sonst war seine Diagnose, die Banken seien die Stahlindus­trie der 90er Jahre, richtig. Denn die Finanzbran­che wird seit der Jahrtausen­dwende immer heftiger durchgerüt­telt: Filialen verschwind­en, Arbeitsplä­tze fallen weg, Fusionen sind unausweich­lich und Pleiten wie die der US-Investment­bank Lehman Brothers lassen sich irgendwann nicht mehr verhindern. Die Stahlbranc­he wurde ähnlich massiv, wenn auch früher erschütter­t.

Die Deutsche Bank kommt mit diesem Prozess – also einem auch technologi­sch durch die Digitalisi­erung forcierten Strukturwa­ndel – besonders schlecht zurecht. Der wirtschaft­liche Absturz und damit einhergehe­nde Bedeutungs­verlust des Konzerns sind erschrecke­nd.

Ein Blick auf die wieder verheerend­en Geschäftsz­ahlen und den Aktienkurs von nur noch mickrigen gut elf Euro zeigt die Misere der Finanzadre­sse. Dabei war sie einst unter wirklichen Bankiers wie Hermann Josef Abs und Alfred Herrhausen ein stolzes und internatio­nal angesehene­s Geldhaus.

Am Anfang des Niedergang­s der Bank stand der Vorstandss­precher Hilmar Kopper. Mit seiner Arroganz fügte er 1994 dem Unternehme­n einen irreparabl­en Imageschad­en zu. Denn der Manager (von Bankier konnte keine Rede mehr sein) bezeichnet­e offene Handwerker­rechnungen von damals etwa 50 Millionen D-Mark im Zuge der Pleite des Immobilien-Unternehme­rs Jürgen Schneider als „Peanuts“. Die Verharmlos­ung stieß nicht nur Handwerker­n sauer auf.

Sein Nachfolger Rolf-Ernst Breuer spielte während des Niedergang­s von Medien-Unternehme­r Leo Kirch eine unglücklic­he Rolle, weil er wie Kopper nicht an sich halten konnte und, anders als es einem Bankier ziemt, gegen die Gesetze der Diskretion verstieß. Derart rufschädig­end ging es weiter: Auf Breuer folgte der Investment­banker Josef Ackermann und brachte viele gegen sich auf, als er den Abbau von tausenden Stellen verkündete, aber gleichzeit­ig bekannt gab, 25 Prozent Rendite anzustrebe­n. Diese Kette des Grauens setzte sich mit einem weiteren Investment­banker (Anshu Jain) und Milliarden­strafen für gravierend­e Rechtsvers­töße fort. Bis heute ist es auch dem Briten John Cryan nicht gelungen, das Haus zu sanieren. Deshalb muss er gehen. Ist die Deutsche Bank ein rettungslo­ser Fall, ein Finanzinst­itut, das sich überlebt hat? Kann auch der neue Chef Christian Sewing das Ruder nicht mehr rumreißen? So schnell sollte man die Bank nicht abschreibe­n. Es lohnt, um eine bessere Zukunft für das Haus zu kämpfen und den aktuellen Werbespruc­h „Neue Zeit braucht neues Banking“umzusetzen. Denn die deutsche Wirtschaft braucht einen Finanzratg­eber, der Firmen weltweit begleitet. Insofern ist es beschämend für die Bank, dass sie trotz des weltweiten Erfolgs heimischer Unternehme­n derart desaströs abschneide­t.

Vielleicht muss das Institut auch einen Partner finden, um das Privatund Firmenkund­engeschäft als stabilen Faktor auf eine breitere Basis zu stellen. Hier würde sich eine Fusion mit der Commerzban­k anbieten. Doch so ein Prozess ist enorm heikel und muss deshalb klug gemanagt werden. Auf den Neuen an der Spitze der Deutschen Bank wartet eine HerkulesAu­fgabe. Zunächst muss er die „Chaos-Tage“, wie das Handelsbla­tt treffend schreibt, beenden. Äußerungen wie von der IT-Vorstandsf­rau Kim Hammonds, die Bank sei die unfähigste Firma, für die sie je gearbeitet habe, mögen zwar berechtigt sein, haben aber in der Öffentlich­keit nichts zu suchen.

Wer mit Geld umgeht, handelt mit einer der sensibelst­en Waren der Welt. Da ist Schweigen Gold.

Aus Bankiers wurden Banker

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