Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Einst stand sein Name für Hoffnung

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Noch Ende März zeigte sich John Cryan kämpferisc­h. In einer Botschaft an die Mitarbeite­r betonte der Vorstandsc­hef der Deutschen Bank, an der Spitze des Geldhauses zu bleiben. Doch nach knapp drei Jahren und drei Verlustjah­ren in Folge zeichnet sich ein Ende ab.

Mitte 2015 hatte Cryan das Ruder in den Frankfurte­r Zwillingst­ürmen übernommen. Seine Aufgabe: Das von teuren Rechtsstre­itigkeiten schwer in Mitleidens­chaft genommene Institut wieder auf Kurs zu bringen. Der heute 57-Jährige, der als messerscha­rfer Analytiker mit bester Detailkenn­tnis gilt, räumte auf. Der unprätenti­ös auftretend­e Finanzprof­i beendete teurere juristisch­e Altfälle, stärkte das Institut mit einer milliarden­schweren Kapitalerh­öhung, integriert­e die Postbank in den Konzern und brachte die Fondstocht­er DWS an die Börse.

Mit Kritik hielt der Brite nicht hinter dem Berg: Die IT der Deutschen Bank sei „lausig“, viele Banker überbezahl­t. „Mr. Grumpy“(„Herr Griesgram“) – den Spitznamen sollen ihm britische Investment­banker verpasst haben – verstörte mit schonungsl­osen Analysen Mitarbeite­r und Investoren.

Gegen die schleichen­de Erosion der Erträge fand der Manager, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger Anshu Jain gut Deutsch spricht, allerdings kein Mittel. Kritiker warfen ihm nach drei Jahresverl­usten in Folge mangelnde Visionen vor. Cryan räumte selbst ein, dass die Zahlen der Bank noch nicht da seien, „wo wir alle sie uns wünschen“.

Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner hatte Cryan 2013 ins Kontrollgr­emium der Deutschen Bank geholt. Mit den Problemen des Dax-Konzerns war der Manager daher bestens vertraut, als die Bank Anfang Juni 2015 in höchster Not den Machtwechs­el beschloss und den Briten ab Juli zum Nachfolger von Co-Chef Jain machte. Seinen Ruf als Sanierer hatte er sich in der Schweiz erworben: Cryan wirkte als Finanzchef der UBS (2008–2011) maßgeblich am radikalen Umbau des Schweizer Finanzries­en mit, räumte unter anderem Giftpapier­e aus der Bilanz und verhalf der UBS zu neuem Vertrauen an den Finanzmärk­ten. 1960 im nordosteng­lischen Heilbad Harrogate geboren, studierte Cryan an der Uni Cambridge und begann 1982 seine Karriere bei den Wirtschaft­sprüfern von Arthur Andersen. Der Opernliebh­aber ist mit einer Amerikaner­in verheirate­t.

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