Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Eltern Kinder unter Druck setzen

Fernsehen Im „Tatort“macht ein Vater seiner Frau und vor allem seinem Sohn das Leben zur Hölle. Was falsch verstanden­er Ehrgeiz anrichtet und was man dagegen tun kann

- VON DENIS DWORATSCHE­K

Augsburg Diese Szene aus der „Tatort“-Folge „Unter Kriegern“vom Sonntag, die unter anderem in einem Frankfurte­r Sportleist­ungszentru­m spielt, dürfte sich wohl vielen Zuschauern eingeprägt haben: Da trainieren Vater und Sohn Seite an Seite an Rudergerät­en. Joachim Voss, gespielt von Golo Euler, leitet das Zentrum, will Sportfunkt­ionär werden. „Schlagzahl erhöhen“, sagt er. Und beide legen sich noch einmal richtig ins Zeug.

Doch dann kommt Sohn Felix (Juri Winkler) aus dem Takt. Er ist sichtlich erschöpft, bricht ab, wendet sich zur Seite – und übergibt sich. Das Thema Leistungsd­ruck zieht sich durch den gesamten „Tatort“aus Hessen. Ein wieder überaus aktuelles Thema, nachdem Ex-Fußballnat­ionalspiel­er Per Mertesacke­r kürzlich darüber gesprochen hat.

Auch Thomas Kern, Geschäftsf­ührer des Bayerische­n LandesSpor­tverbandes (BLSV), hat mit dem Thema immer wieder zu tun. „Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder das erreichen, was sie selbst nicht geschafft haben“, sagt er. In solchen Fällen könnten zwar Trainer das Gespräch mit den Eltern suchen, mehr ginge aber nicht. „Am Ende sind sie für ihre Kinder verantwort­lich“, sagt Kern. Und, ganz prinzipiel­l: „Wir wollen, dass den Kindern der Sport Spaß macht.“

Spaß – den konnten „Tatort“-Zuschauer sicher nicht bei Felix erkennen. Auch nicht in der Szene, als sein Vater mit ihm zu Trainingsz­wecken kämpft. Warum jedoch lehnt sich Felix nicht gegen seinen Vater auf und sagt „Nein“? „Manche Kinder begehren auf, manche eben nicht“, hat Thomas Kern festgestel­lt. Das sei eine Frage der Charakters­tärke und der Erziehung.

Eltern, die mit großem Ehrgeiz um ihre Kinder kreisen, werden auch Helikopter-Eltern genannt. Für ihre Kinder kann das Folgen haben. Markus Raab, Professor in der Abteilung Leistungsp­sychologie der Deutschen Sporthochs­chule Köln, zählt sie auf: „Auffälligk­eiten der Kinder in ihrem Sportverha­lten, ihrem täglichen Handeln, etwa beim Essen und Schlafen, oder Aggression­en sind mögliche Hinweise bei Kindern auf sogenannte Helikopter­Eltern.“

Im „Tatort“sind die Folgen des väterliche­n Drucks auf Felix fatal: Der Junge wird zum Dreifach-Mör- der. Der Leistungsd­ruck, unter den ihn sein Vater setzt, macht Felix aggressiv. Kalt berechnend agiert er. Ob es dabei einen Unterschie­d macht, ob der Druck von Vater oder Mutter ausgeht? „Ich sehe oft keinen Unterschie­d“, sagt BLSV-Geschäftsf­ührer Kern. Er habe jedenfalls beobachtet, dass oft Väter, die selbst Fußball gespielt hätten, ihre Fußball spielenden Kinder kritisiere­n würden. Psychologi­eprofessor Raab sagt: „Eltern können beides sein: ehrgeizige Antreiber und unverzicht­bare Karrierebe­gleiter.“

Doch was hilft, wenn sie es übertreibe­n? „Wir vom Sportverba­nd können beraten, auch arbeiten wir im Leistungss­port mit Sportpsych­ologen zusammen“, sagt Kern. Raab ergänzt: „Aus der Forschung wissen wir, dass dieses Verhalten von Eltern systematis­ch korrigiert werden muss.“Dazu könnten Verhaltens­regeln beitragen, in einigen Fällen auch Interventi­onen. Er nennt als Beispiel dafür Seminare für Eltern, wie diese sich in Stresssitu­ationen ihren Kindern gegenüber verhalten sollten. Solche Maßnahmen könnten aber nur helfen, wenn alle Beteiligte­n sich an Absprachen halten und das eigene Verhalten überdenken würden, erklärt Raab.

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Foto: HR Eine kaputte Familie: Der Vater Joachim Voss (Golo Euler, im Hintergrun­d) leitet ein Frankfurte­r Sportleist­ungszentru­m und ty rannisiert seine Frau Meike (Lina Beckmann). Besonders Sohn Felix (Juri Winkler) hat zu leiden.
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