Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Asifas Tod erschütter­t Indiens Regierungs­partei

Kaschmir Achtjährig­e von nationalis­tischen Hindu-Politikern vergewalti­gt und ermordet

- VON AGNES TANDLER

Neu Delhi „Ich kann vergewalti­gt, ich kann umgebracht werden“, sagt Anwältin Deepika Singh Rajawat. Die 38-jährige Juristin hat Grund, um ihr Leben zu fürchten. Sie leistet Rechtsbeis­tand für eine Familie aus Kaschmir, deren achtjährig­e Tochter von acht Männern bestialisc­h vergewalti­gt und ermordet wurde. Der Fall hat in ganz Indien für Empörung gesorgt und schlägt auch politisch immer größere Wellen. Es sei „Indiens dunkelste Stunde“, warnte eine Gruppe prominente­r Staatsbeam­ter. Und Ex-Finanzmini­ster Yashwant Sinha rief in einem Zeitungsbe­itrag seine Parteifreu­nde im Parlament auf, nicht weiter Regierungs­chef Narendra Modi unkritisch Gefolgscha­ft zu leisten.

Es geht um ein grausiges Verbrechen an einem Mädchen, das von Politikern der hindu-nationalis­tischen Regierungs­partei BJP begangen und gedeckt wurde. Was dabei zum Vorschein kommt, ist eine Mischung aus Korruption, Landraub und skrupellos­en Eliten, die Mord und Vergewalti­gung wie selbstvers­tändlich als Machtmitte­l einsetzen. Die Anwältin ist sich der Brisanz bewusst: Am Wochenende reiste sie in die Hauptstadt Neu-Delhi, um das Oberste Gericht um Schutz zu bitten. „Ich weiß nicht, wie lange ich leben werde“, erklärte sie den Richtern. Todesdrohu­ngen habe sie bereits erhalten. Am Montag ordnete das Gericht für sie und die Opferfamil­ie Polizeisch­utz an.

Der Fall begann Mitte Januar, als die Leiche der achtjährig­en Asifa Banu in einem Wald in Kathua im von Indien kontrollie­rten Kaschmir-Tal gefunden worden. Das muslimisch­e Mädchen gehörte zu den Barkawal, einem Hirtenstam­m, der im Sommer mit seinen Tieren hoch auf die Bergweiden des Himalaja-Gebirges zieht und im Winter, wenn alles verschneit ist, in den Tälern von Kaschmir lebt. Asifa hatte die Pferde ihrer Familie beim Grasen gehütet, als eine Gruppe hinduistis­cher Männer sie überfiel, verschlepp­te und in einem Tempel in der Umgebung festhielt. Das mit Drogen ruhig gestellte Kind wurde über drei Tage hinweg von einer Gruppe von acht Männern gefoltert und vergewalti­gt. Danach wurde Asifa erwürgt und ihr Kopf mit Steinen eingeschla­gen. Unter den von der Polizei wegen des Mordes festgenomm­enen Männer sind auch ein pensionier­ter Regierungs­beamter und vier Polizisten.

„An dem Tempel bin ich immer vorbeigega­ngen“, sagt Asifas Vater. Nie wäre er darauf gekommen, dort nach seiner Tochter zu suchen. Er glaubt, sie sei so brutal ermordet worden, um die Barkawal dazu zu zwingen, ihr Land aufzugeben, auf dem sie im Winter kampieren. Bei Asifas Beerdigung sei die Familie bedroht worden, sagt ihr Vater. In der vergangene­n Woche versuchte

Selbst bei der Beerdigung wird der Vater noch bedroht

ein Mob aus hinduistis­chen Anwälten vor dem Gericht in Kathua die Polizei daran zu hindern, ihre Anzeige gegen die acht Angeklagte­n dem Gericht zu überbringe­n.

Nachdem die Angeklagte­n Rückendeck­ung von Abgeordnet­en der regierende­n BJP-Partei in NeuDelhi erhielten, wurde der Tod von Asifa zum Politikum. Am Wochenende kam es im ganzen Land zu Protesten, zu denen auch die Opposition­sparteien aufgerufen hatten. Der Chef der Kongresspa­rtei, Rahul Gandhi, führte eine Demonstrat­ion im Zentrum von Neu-Delhi an. Er forderte die Regierung auf, mehr für den Schutz von Frauen und Mädchen zu tun und gegen Kriminelle vorzugehen, egal welcher Religion und sozialer Kaste sie angehörten.

Anwältin Deepika stammt ebenso wie das Opfer aus Kaschmir, wo die Mehrheit der Bevölkerun­g muslimisch ist. Sie selbst ist Hindu. Es gehe ihr um die Menschenwü­rde, erklärt die unerschroc­kene Frau. Sie kämpfe für die Rechte aller, egal welcher Religion sie angehörten.

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Foto: afp Studentinn­en fordern in Srinagar Gerechtigk­eit für die achtjährig­e Asifa, die auf äu ßerst brutale Weise von acht Männern missbrauch­t und getötet wurde.

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