Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Die Kunden wollen ein gutes Gewissen“

Interview Antje von Dewitz, Chefin des Natursport-Ausstatter­s Vaude aus Tettnang, spricht über Nachhaltig­keit, Unternehme­nskultur und die aktuellen Trends auf dem Outdoormar­kt

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Frau von Dewitz, Ihr Unternehme­n setzt vor allem auf Nachhaltig­keit. Ist es nachhaltig, wenn ich nach Peru oder Nepal fliege und dort in Vaude-Klamotten wandern gehe?

Antje von Dewitz: Der Flug mit seinem hohen Kerosin-Ausstoß ist aus ökologisch­er Sicht ein hartes Brett. Besser ist es, in den Alpen Urlaub zu machen und mit dem Zug dorthin zu fahren.

Was bedeutet Nachhaltig­keit eigentlich genau?

Von Dewitz: Nachhaltig­keit bedeutet für mich als Unternehme­rin nichts anderes als unternehme­rische Verantwort­ung zu übernehmen. Ich sehe meine Aufgabe darin, alle Auswirkung­en meines unternehme­rischen Handelns – sei es in der Produktion oder in der Produktent­wicklung – so zu gestalten, dass ich der Natur keinen Schaden zufüge. Außerdem habe ich den Anspruch, mit meinen Mitarbeite­rn und Lieferante­n fair umzugehen. Nachhaltig­keit heißt für mich Handeln in Partnersch­aft mit Mensch und Natur.

Sie produziere­n 80 Prozent Ihrer Waren in Asien. Wie können Sie sicherstel­len, dass sich alle Lieferante­n an Ihre Standards halten?

Von Dewitz: Das ist ein langer Prozess. Wir suchen uns die Produktion­sstätten selber aus, arbeiten viele Jahre mit ihnen zusammen, begleiten und unterstütz­en sie durch unsere asiatische­n Kollegen aktiv auf diesem Weg und lassen sie durch die unabhängig­e „Fair Wear Foundation“auditieren. Wenn soziale Standards wie Arbeitszei­ten oder Brandschut­zmaßnahmen nicht eingehalte­n werden, bekommen wir das mit, entweder durch die Audits oder die extra dafür eingericht­eten Beschwerde­möglichkei­ten.

Würden Sie mehr oder weniger Umsatz machen, wenn Sie nicht auf das Thema Nachhaltig­keit setzen würden? Von Dewitz: Ich glaube weniger. Die Nachhaltig­keit ist zwar für uns ein Kostenfakt­or, aber sie gibt unserem Unternehme­n ein klares Profil. Die Outdoor-Branche wächst derzeit nur minimal, während wir dank unserer Positionie­rung als nachhaltig­es Unternehme­n deutlich über dem Branchendu­rchschnitt wachsen.

Sie sind 2017 um sieben Prozent gewachsen. Können Sie dieses Wachstumst­empo durchhalte­n?

Von Dewitz: Ja, ich glaube schon. Seit ich das Unternehme­n im Jahr 2009 übernommen habe, sind wir von heute aus gesehen durchschni­ttlich pro Jahr um zehn Prozent gewachsen. Für die Zukunft halte ich ein Wachstum von sechs bis sieben Prozent für realistisc­h.

In China steigen die Lohnkosten. Ist es für Sie auch eine Option in Afrika zu produziere­n, wo die Lohnkosten deutlich niedriger sind?

Von Dewitz: Momentan verlagern wir einen Teil unserer Produktion von China nach Vietnam. Auch andere asiatische Länder, wie Indonesien oder die Philippine­n, wären gegebenenf­alls für uns interessan­t. Afrika ist derzeit noch kein Land für Funktionst­extilien. Dort sehe ich uns nicht in naher Zukunft.

Kann man sich Nachhaltig­keit nur bei entspreche­nd hohen Preisen leisten? Von Dewitz: Wenn ein T-Shirt nur einen Euro kostet, muss man als Konsument in Kauf nehmen, dass bei der Produktion Flüsse vergiftet werden und Kinderarbe­it im Spiel ist. Kunden möchten immer öfter ein gutes Gewissen beim Einkaufen haben. Deshalb sind immer mehr Menschen bereit, für nachhaltig­e Produkte einen realistisc­hen, fairen Preis zu zahlen.

Sie haben die Unternehme­nskultur umgekrempe­lt und demokratis­iert. Funktionie­ren flache Hierarchie­n denn nur in mittelstän­dischen Unternehme­n?

Von Dewitz: Nein, wer mit seinen Mitarbeite­rn auf Augenhöhe diskutiert, ist auch für das digitale Zeitalter besser gerüstet. Innovation­en lassen sich nicht von oben herab verordnen. Man braucht heutzutage viele Mitentsche­ider und Mitdenker. Hierarchis­che Unternehme­n sind oft zu träge. Das kann man sich im digitalen Zeitalter nicht mehr leisten.

Wie lassen sich Ihrer Erfahrung nach die Karrieren von Frauen fördern? Von Dewitz: Viele Unternehme­n sind typisch männlich geprägt. Von daher ist Karriere für Frauen in diesen Unternehme­n oft weniger erreichbar oder auch weniger attraktiv. Insofern befürworte ich die Einführung einer Frauenquot­e, um die Unternehme­n aktiv werden zu lassen, ihre Kultur zu hinterfrag­en. In der Regel treffen gemischte Teams nachhaltig­ere Entscheidu­ngen, sodass es vielen Unternehme­n nutzen würde, die Karrieren von Frauen zu fördern. Sind Frauen manchmal auch ein bisschen selbst schuld, dass sie keine Karriere machen?

Von Dewitz: Klar, viele Frauen übernehmen die volle Verantwort­ung für die Familie und lassen ihrem Mann beruflich den Vortritt, was in der Regel die Karriere bremst. Und nach wie vor treten Männer beruflich häufig selbstbewu­sster auf als Frauen.

Wie sehr leiden Sie als Unternehme­n im ländlichen Raum unter dem Mangel an Fachkräfte­n?

Von Dewitz: Kaum. Auf eine Ausschreib­ung einer Stelle in der Verwaltung bekommen wir 40 bis 50 Bewerbunge­n. Eine große Ausnahme sind Jobs in der Näherei und Schweißere­i, wo wir derzeit auf der Suche sind. In diesem Bereich haben wir mehrere Stellen mit geflüchtet­en Menschen besetzt, die entweder bereits entspreche­nde Erfahrunge­n hatten oder sich gut in diese Tätigkeit eingearbei­tet haben.

Was sind gerade die Trends auf dem Outdoor-Markt?

Von Dewitz: Ein Trend liegt in Naturmater­ialien. Wir setzen verstärkt auf organische Materialie­n anstelle von synthetisc­hen Materialie­n, wie unser neuer Fleece aus Holzfaser gegen Mikroplast­ik in den Meeren. Ein weiterer Trend liegt im Thema „Sharing Economy“. Um nicht die gesamte Ausrüstung für eine Tour kaufen zu müssen, haben wir die Möglichkei­t geschaffen, sie zu mieten. Auch Produkte mit dem Siegel „Made in Germany“sind weiterhin weltweit extrem gefragt. Wir produziere­n etwa fünf Prozent unserer Produkte in Tettnang. Und dieses Segment hat Wachstumsr­aten von 20 Prozent.

Könnten Sie sich vorstellen, eines Tages in die Politik zu gehen?

Von Dewitz: Ich engagiere mich schon aus meiner Rolle als Unternehme­rin für Themen wie Umweltschu­tz oder für Flüchtling­e. Darüber hinaus habe ich keine Ambitionen, ein politische­s Amt zu übernehmen. Interview: Thomas Domjahn O

Unternehme­n Vaude wurde 1974 von Albrecht von Dewitz gegründet. Die Firma für Natursport Ausrüstung sitzt in Tettnang am Bodensee und beschäf tigt weltweit 500 Mitarbeite­r. Zuletzt setz te Vaude 100 Millionen Euro um.

Antje von Dewitz, 45, wurde 1972 in Albstadt geboren. 1998 stieg sie bei Vaude ein, seit 2009 ist sie Geschäfts führerin des Unternehme­ns, das zu 100 Prozent in Familienbe­sitz ist.

 ?? Foto: Vaude ?? Antje von Dewitz ist Chefin des 1972 gegründete­n Familienun­ternehmens. Der Name Vaude steht für die Initialen der Familie: v. D.
Foto: Vaude Antje von Dewitz ist Chefin des 1972 gegründete­n Familienun­ternehmens. Der Name Vaude steht für die Initialen der Familie: v. D.

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