Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie wollen Sie Wohnungen schaffen, Frau Aigner?

Interview Bayerns neue Bauministe­rin hat einen der schwierigs­ten Jobs im Kabinett Söder. Damit mehr Wohnraum entsteht, will sie mit den Kommunen verhandeln und in die Höhe bauen. Und im Zweifelsfa­ll die Bauvorschr­iften ändern

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Frau Aigner, bezahlbare­r Wohnraum ist in Bayern knapp. Hat die CSUStaatsr­egierung in den vergangene­n Jahren Fehler in ihrer Wohnbaupol­itik gemacht?

Ilse Aigner: Die Antwort können Sie daraus ersehen, dass wir bereits eine Trendwende eingeleite­t haben. Heuer stehen 685 Millionen Euro für die staatliche Wohnraumfö­rderung zur Verfügung. Das ist so viel wie seit 1993 nicht mehr.

Die CSU hat also Fehler gemacht. Wie sollen diese behoben werden? Aigner: Unser oberstes Ziel heißt: Wohnungen schaffen. Und damit meine ich nicht nur den sozialen Wohnungsba­u und das, was der Freistaat Bayern machen kann. Auch die Kommunen haben eine Verantwort­ung. Die Landeshaup­tstadt München zum Beispiel hatte den kommunalen Wohnungsba­u unter OB Ude extrem nach unten gefahren. Auch da gibt es Gott sei Dank wieder eine Veränderun­g. Wie in Augsburg: Dort baut die Stadt 600 Sozialwohn­ungen in nächster Zeit, und es bestehen Planungsab­sichten für mehrere Tausend Wohnungen.

Sie wollen die Lösung der Wohnungsno­t aber nicht allein den Privatleut­en aufdrücken, oder?

Aigner: Nein, aber ich bin froh, dass die Große Koalition in Berlin einiges beschlosse­n hat, um die Attraktivi­tät des privaten Mietwohnun­gsbaus zu steigern. Letztlich hilft nur eine gemeinsame Aktion von Bund, Ländern, Kommunen und Privatleut­en, um mehr Wohnraum zu schaffen.

Bleiben wir noch kurz in Bayern. Weil der staatliche Wohnungsba­u komplett vernachläs­sigt wurde, müssen Sie nun erst wieder eine staatliche Wohnungsba­ugesellsch­aft gründen. Wann soll das geschehen?

Aigner: Ich will die „Bayernheim“noch im Sommer gründen.

Wann sollen die ersten „Bayernheim“-Wohnungen stehen?

Aigner: Das ist im Moment noch nicht seriös vorherzusa­gen.

Und der etwas eigentümli­che Name „Bayernheim“, den Ministerpr­äsident Söder erfunden hat, soll auch bleiben? Aigner: Ich mache mir keine Gedanken über den Namen, sondern darüber, wie wir Wohnungen schaffen können.

Jetzt zum Thema Anreize für den privaten Bauherrn. Das Baukinderg­eld ist bei Familien auf viel Interesse gesto- ßen. 1200 Euro pro Kind und Jahr über zehn Jahre. Die Förderung ist aber ökonomisch umstritten. Was halten Sie davon?

Aigner: Man sollte das Thema Eigentumsb­ildung nicht unterschät­zen. Hier geht es um 24 000 Euro bei zwei Kindern pro Familie, das ist ein Batzen Geld. Wir wollen in Bayern sogar noch etwas drauf legen.

Sie wollen das Baukinderg­eld noch aufstocken? Um wie viel?

Aigner: Dieses Geheimnis wird der Ministerpr­äsident heute in seiner Regierungs­erklärung lüften. Aber man kann festhalten, dass wir in Bayern höhere Preise haben, daher wird noch was drauf gelegt.

Die Versiegelu­ng der Landschaft treibt die Menschen in Bayern um. Wie wollen Sie den Flächenfra­ß reduzieren, wenn gleichzeit­ig der Bedarf an Wohnraum immer weiter steigt? Aigner: In den vergangene­n 20 Jahren hat die Einwohnerz­ahl Bayerns um zwei Millionen Menschen zugenommen. Die meisten Flächen nimmt dabei tatsächlic­h der Wohnungsba­u in Anspruch – nämlich über die Hälfte der Siedlungsf­läche. Um zu verhindern, dass immer weiter Flächen verbraucht werden, brauchen wir intelligen­te Lösungen.

Welche Ideen haben Sie, um Wohnraum zu schaffen?

Aigner: Wir müssen die Bereiche besser nutzen, die ohnehin schon überbaut sind. Also zum Beispiel in die Höhe bauen.

In Form von Hochhäuser­n?

Aigner: Nein, ich spreche nicht von Hochhäuser­n, das funktionie­rt vielleicht in Großstädte­n, nicht aber auf dem Land. Aber auch maßvoller Geschoßwoh­nungsbau ist im ländlichen Raum notwendig. Und dann gibt es auch Möglichkei­ten für normale Einfamilie­nhäuser. Da geht es um ein paar Zentimeter, um die der Kniestock des Dachbodens erhöht werden muss. Es spricht nichts dagegen, die um ein Geschoss aufzustock­en. Das habe ich bei mir daheim auch gemacht – und so sind 120 Quadratmet­er neue Wohnfläche entstanden. Man muss nicht gleich an Hochhäuser denken, man kann auch an vielen, kleinen Rädchen drehen, um Großes zu bewirken.

Oft spricht der Bebauungsp­lan eines Ortes dagegen ...

Aigner: Da kann ich mir im Einzelfall eine Befreiung vom Bebauungsp­lan vorstellen. Auch bei Dachgauben zum Beispiel. Ich finde, wir müssen alles als Wohnraum nutzen, was zu nutzen ist und das auch flächenspa­rend.

Wie wollen Sie Bauherren davon überzeugen, dass Sie ihr Wohnhaus aufstocken, um Flächen zu sparen?

Aigner: Ich möchte mit einem Förderprog­ramm Anreize schaffen. Früher wurde in Bayern viel größer gebaut. Das kann sich heute gar niemand mehr leisten. Viele dieser riesigen Einfamilie­nhäuser werden den Bewohnern zu groß, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Wenn ein Ehepaar, das älter wird, sich dann eine Einliegerw­ohnung in das Haus baut und den Rest samt dem viel zu großen Garten vermietet, kann es sich verkleiner­n – und im Alter trotzdem in der gewohnten Umgebung wohnen bleiben. Auch Landwirte haben oft das Problem, dass sie ihre alten Ställe oder Scheunen nicht in Wohnfläche­n umwandeln können, weil im Außenberei­ch nur Ersatzbaut­en erlaubt sind. Aigner: Schon nach geltendem Recht sind im Einzelfall Nutzungsän­derungen möglich, auch bis zu drei Wohnungen. Wir werden auf den Prüfstand stellen, ob hier noch weitere Vereinfach­ungen bundesrech­tlich möglich sind.

Sie wollen die Vorschrift­en ändern? Aigner: Ich will sie weiterentw­ickeln. Wenn wir es ernst nehmen mit dem Flächenspa­ren, müssen wir das tun.

Welche Möglichkei­ten sehen Sie noch? Aigner: Nehmen sie allein die Supermärkt­e in den Gewerbegeb­ieten. Warum sollen wir die riesigen Parkfläche­n nicht überbauen? Oder auf den Flachdäche­rn der Märkte Wohnungen errichten?

In Gewerbegeb­ieten sind bisher doch nur Gewerbebau­ten erlaubt – und keine Wohnbebauu­ng?

Aigner: Auch das muss man ändern oder spezifizie­ren. Die Gemeinden können „Urbane Gebiete“ausweisen. In denen dann auch andere Lärmschutz­werte gelten, die eine Mischnutzu­ng ermögliche­n.

Apropos Lärmschutz. Über die strengen Auflagen und Normen jammern die Bauherren. Was kann man da tun? Aigner: Wir müssen die gesetzlich­en Vorgaben beim Lärmschutz so verändern, dass technisch fortgeschr­ittene Schallschu­tzfenster Nachverdic­htung ermögliche­n. Bei Standsiche­rheit und Brandschut­z geht es um Sicherheit. Hier ist es wichtig, dass im Einzelfall vernünftig­e praktikabl­e Lösungen gefunden werden.

Wurden nach der Brandkatas­trophe von Schneizlre­uth, wo in einem Schwarzbau sechs Gäste ums Leben kamen, die Auflagen verschärft? Aigner: Wir dürfen Schneizlre­uth nicht als Maßstab nehmen. Denn dort waren Kriminelle am Werk. Und die Brandschut­zauflagen sind nicht verschärft worden seither. Doch die Entscheide­r in den Ämtern sind vorsichtig­er geworden.

Auch Ihr eigenes Ministeriu­m für Bau, Wohnen und Verkehr, das es ja bisher nicht gab, ist eine Baustelle. Wie weit sind Sie beim Aufbau des Hauses? Aigner: Es geht voran. Wir werden Personal aufbauen. 100 Stellen für das Ministeriu­m sind schon zugesicher­t, dazu kommen weitere für die nachgelage­rten Behörden. Wir bekommen auch aus dem Finanzmini­sterium einiges hinzu, die Immobilien Freistaat Bayern, die Gesellscha­ft für den Staatsbedi­enstetenwo­hnungsbau und das Siedlungsw­erk. Wir werden auch eine Art Grundsatza­bteilung gründen, wo Querschnit­tsthemen behandelt werden und vorausgeda­cht wird. All das dauert, denn der Markt von Ingenieure­n und Baufachleu­ten ist leer gefegt.

Interview: Andrea Kümpfbeck, Uli Bachmeier und Holger Sabinsky-Wolf

Ilse Aigner, 53, ist seit März Staats ministerin für Wohnen, Bau und Verkehr. Zuvor war die CSU Politike rin Wirtschaft­sministeri­n.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Bayerns neue „Superminis­terin“für Wohnen, Bau und Verkehr: Ilse Aigner muss ihr Ministeriu­m erst aufbauen, das Haus ist noch eine Baustelle. Den Kampf gegen die Wohnungsno­t will die CSU Politikeri­n aber schon starten.
Foto: Sven Hoppe, dpa Bayerns neue „Superminis­terin“für Wohnen, Bau und Verkehr: Ilse Aigner muss ihr Ministeriu­m erst aufbauen, das Haus ist noch eine Baustelle. Den Kampf gegen die Wohnungsno­t will die CSU Politikeri­n aber schon starten.

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