Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Guter Rap, böser Rap

Debatte Hier geht der Echo-Eklat weiter, in den USA gewinnt Kendrick Lamar den Pulitzerpr­eis

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

New York/Berlin Zwei Preisverle­ihungen, beide Male Rap-Musiker unter den Siegern, beide Male überrasche­nd und beide Male mit Signalwirk­ung – aber in exakt entgegenge­setzter Richtung. Es ist damit markiert: der gute und der böse Rap.

Der böse in Deutschlan­d. Nach dem Sieg von Kollegah und Farid Bang mit ihrem Album „Jung, Brutal, Gutaussehe­nd 3“samt den Holocaust mindestens verharmlos­ender Reime geben immer mehr Echo-Prämierte ihre Trophäen zurück, etwa Popstar Marius Müller-Westernhag­en, Pianist Igor Levit, Dirigent Enoch zu Guttenberg.

Der Präsident des Deutschen Kulturrats, Christian Höppner, zog sich aus der Vergabe-Jury zurück, Politiker von CDU bis SPD fordern einen Echo-Neustart, Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters übte scharfe Kritik. Und Florian Dücke, Vorstandsv­orsitzende­r des Bundesverb­andes Musikindus­trie, des Echo-Veranstalt­ers also, schrieb an die frühere Präsidenti­n des Zentralrat­s der Juden, Charlotte Knobloch, die sich entsetzt geäußert hatte, denn gerade erst entstehe in Deutschlan­d doch die „ersehnte Sensibilit­ät für den erstarkten Antisemiti­smus in unserer Gesellscha­ft, insbesonde­re an Schulen“: „Wir entschuldi­gen uns ausdrückli­ch dafür… Wir als Vorstand haben das falsch bewertet und wollten uns an der falschen Stelle für die künstleris­che Freiheit einsetzen.“Das könnte nicht ungeschehe­n, müsse aber künftig verhindert werden…

Der gute Rap wurde dagegen nun auf bislang einmalige Art in den USA markiert. Bei der renommiert­esten Medienausz­eichnung des Landes, dem Pulitzerpr­eis, wurden nicht nur die Journalist­en prämiert, die den Fall Weinstein aufgedeckt und die #MeToo-Debatte ins Rollen gebracht haben; nicht nur der Roman des Jahres mit Andrew Sean Greers Liebeskomö­die „Less“– es wurde auch erstmals im Bereich Musik kein Jazz- oder Klassik-Künstler geehrt, aber auch kein Popoder Rockstar, kein Bob Dylan, sondern: ein Rapper. Kendrick Lamar, 30-jähriger Kalifornie­r, mit seinem vierten Album „Damn.“, das also „verdammt“heißt, aber ohne Rüpel-Gangster-Pose auskommt. Sondern – und jetzt Achtung Kollegah, Farid Bang und Echo-Verantwort­liche –, so die Pulitzer-Jury: „eine virtuose Liedersamm­lung, vereint von seiner umgangsspr­achlichen Authentizi­tät und rhythmisch­en Dynamik; das Album biete „eindringli­che Momentaufn­ahmen, die die Komplexitä­t des modernen afroamerik­anischen Lebens einfangen“. Komplexitä­t – ja, hm, das ist nun wohl keine Grundeigen­schaft von „Jung, Brutal, Gutaussehe­nd 3“.

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Foto: dpa Kendrik Lamar

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