Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Wanderarbe­iter keinen Lohn erhalten

Justiz Vor drei Jahren protestier­ten und streikten 30 Männer aus Rumänien in Augsburg. Der Fall rückte ihre Arbeitsbed­ingungen in den Fokus – und beschäftig­t seither die Justiz. Eine Gewerkscha­ft fordert bessere Kontrollen

- VON JAN KANDZORA

Der Fall liegt gut drei Jahre zurück. Damals streikten und protestier­ten rund 30 rumänische Männer, die auf einer Baustelle im Textilvier­tel im Einsatz waren. Sie hausten auf engem Raum in Containern direkt auf der Baustelle – und sagten, sie hätten seit Monaten keinen Lohn bekommen. Schließlic­h wurden die Rumänen mit einem Bus nach Haus gebracht, von einem Busfahrer, dessen Chef die Tour sponsorte.

Die Arbeiter seien das „unterste Glied in einer Kette von Subunterne­hmen“gewesen, sagte damals ein Augsburger, der sich ehrenamtli­ch um sie kümmerte. Der Münchener Bauherr ließ mitteilen, der von ihm mit dem Bau beauftragt­e Generalunt­ernehmer habe alle fälligen Rechnungen bezahlt, an das mit Rohbauarbe­iten beauftragt­e Subunterne­hmen seien Zahlungen im sechsstell­igen Bereich geflossen. Einer der Anwälte des Münchener Immobilien­unternehme­rs äußerte den Verdacht, dass das Geld beim rumänische­n Subunterne­hmer versickert sein könnte, von einem „abgekartet­en Spiel“war die Rede; die Staatsanwa­ltschaft ermittelte.

Die Ermittlung­en sind nun abgeschlos­sen. Wie die Staatsanwa­ltschaft auf Anfrage mitteilt, ist gegen vier Personen Anklage beim Landgerich­t erhoben worden. In dem ziemlich komplexen Verfahren geht es unter anderem um den Vorwurf des gemeinscha­ftlichen Betrugs; einer der Angeschuld­igten ist nach Informatio­nen unserer Zeitung ein 49 Jahre alter Geschäftsm­ann mit rumänische­n Wurzeln, der Geschäftsf­ührer eines Subunterne­hmens war. Ein weiterer offenbar der damalige Bauleiter. In Untersuchu­ngshaft sitzt keiner der Verdächtig­en, ein Prozesster­min steht offenbar noch nicht fest. Klar ist: Ähnlich schwere Vorfälle um osteuropäi­sche Wanderarbe­iter wurden seither in der Stadt nicht bekannt. Was nicht heißt, dass es sie nicht gibt. Dass das Thema in der Region grundsätzl­ich nicht aus der Welt ist, darauf deuten aktuelle Zahlen des Bundesfina­nzminister­iums hin: Demnach kontrollie­rten Beamte im Bereich des zuständige­n Hauptzolla­mts Augsburg im vergangene­n Jahr insgesamt 436 Bauunterne­hmen, rund 19 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Zöllner leiteten hierbei 62 Ermittlung­sverfahren wegen nicht gezahlter Mindestlöh­ne ein. Der mutmaßlich­e Schaden wegen hinterzoge­ner Steuern und Sozialabga­ben belief sich nach Auskunft der Ge- werkschaft IG Bau auf rund zwölf Millionen Euro.

Dass es dabei auch um osteuropäi­sche Wanderarbe­iter geht, ist naheliegen­d. „Wir haben da immer mal wieder ein Problem“, bestätigt Karl Bauer, der für Schwaben zuständige Regionalle­iter der IG Bau. Dabei gebe es eigentlich klare Regeln: Mindestlöh­ne, Richtlinie­n zum Urlaub. Doch die gesetzlich­en Vorgaben würden oft umgangen, teils auch über undurchsic­htigen Firmenstru­kturen. Die osteuropäi­schen Arbeiter, berichtet Bauer, seien oft bei einem „Subunterne­hmen eines Subunterne­hmens“tätig. Dort werde der Mindestloh­n zum Beispiel gedrückt, indem acht Stunden abgerechne­t würden, während die Arbeiter tatsächlic­h deutlich länger tätig waren. Oder es würden für karge Unterkünft­e horrende Beträge gefordert, die den Lohn der Osteuropäe­r auffressen.

Bekannt ist die Problemati­k seit Jahren. Der Bau ist dabei nicht die einzige Branche, in der osteuropäi­sche Wanderarbe­iter eingesetzt werden, und Deutschlan­d nicht das einzige Land, in dem sie tätig sind. Die Arbeiter kommen aus Ländern wie Rumänien oder Bulgarien, aus Polen und Ungarn. Sie zieht es teils tausende Kilometer und monatelang weit von ihrer Heimat weg, um Geld zu verdienen. In der Ferne schuften sie oft bis spät in die Nacht und leben nicht selten in kargen, herunterge­kommenen Unterkünft­en. Sie arbeiten zum Beispiel auch in der Landwirtsc­haft als Erntehelfe­r, im Pflegebere­ich oder als Putzkräfte.

Zumindest einen Fall wie jenen im Textilvier­tel vor drei Jahren habe man seither nicht mehr gehabt, sagt Karl Bauer von der IG Bau. Die aktuellen Zahlen des Zolls nennt die Gewerkscha­ft dennoch „alarmieren­d“. Der Anteil schwarzer Schafe in der Baubranche sei nach wie vor sehr hoch. Die Gewerkscha­ft IG Bau fordert seit Jahren engmaschig­ere Kontrollen und mehr Personal für die zuständige Abteilung „Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit“des Hauptzolla­mtes. Dadurch, sagt Bauer, müssten die Unternehme­n zumindest mehr Sorge haben, überhaupt kontrollie­rt zu werden.

 ?? Symbolfoto: Marc Tirl, dpa ?? Rumänische Arbeiter sollen in Augsburg vor drei Jahren kein Geld bekommen haben. Der Fall beschäftig­t seither die Justiz. Die Gewerkscha­ft IG Bau fordert unter anderem mehr Kontrollen, um solche Fälle zu verhindern.
Symbolfoto: Marc Tirl, dpa Rumänische Arbeiter sollen in Augsburg vor drei Jahren kein Geld bekommen haben. Der Fall beschäftig­t seither die Justiz. Die Gewerkscha­ft IG Bau fordert unter anderem mehr Kontrollen, um solche Fälle zu verhindern.

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