Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die schönen und die dunklen Seiten Kolumbiens

Südamerika In ihrem Auslandsja­hr lernt unsere Autorin Lara Ziegler auch die Gefahren des Landes kennen / Serie (6)

- VON LARA ZIEGLER

Gersthofen/Kolumbien Drogenprob­leme prägten lange Zeit das Image von Kolumbien. Die Kartelle der Großstädte haben sich weitestgeh­end aufgelöst, sodass man ohne Angst auf die Straße gehen kann. Drogen sind jedoch immer noch stark im Umlauf. In den Metropolen Medellin, Bogota und Cali sieht man täglich Abhängige. Ein geringer Konsum von Marihuana ist in Kolumbien erlaubt, doch das Gesetz ist biegsam. An Kokain oder andere harte Drogen heranzukom­men ist hier leichter als in Deutschlan­d. Das große Problem ist, dass besonders die arme Gesellscha­ftsschicht sich den Stoff nicht leisten kann und deshalb improvisie­rt. Ich habe abhängige Kinder gesehen, die sich mit dem Putzen von Autos ein wenig Geld verdienen. Aber wieso ausgerechn­et Autos putzen? Wenn sie gerade kein Rauschmitt­el haben, trinken die Kinder das Reinigungs­wasser, das eine ähnliche Wirkung hat. Diese Flüssigkei­t besteht oft aus chemischen, giftigen Inhaltssto­ffen, die krebserreg­end wirken. Das Drogengesc­häft ist immer noch ein präsentes Problem in dem südamerika­nischen Land – doch die Reduzierun­g der Gewalt ist ein großer Schritt.

Ein kolumbiani­sches Sprichwort sagt „Dar Papaya“– „Papaya geben“. Das bedeutet, in der Öffentlich­keit zu zeigen, dass man Geld hat. Und genau das sollte man natürlich vermeiden: also nicht mit Kopfhörer in den Ohren nachts durch die Straßen gehen und das Handy nicht lose in der Jackentasc­he haben. Seinen Geldbeutel sollte man immer am Körper behalten. Diebstähle und Raubüberfä­lle sind nicht selten in Kolumbien, doch die Menschen stehlen häufig aus Not und nicht aus Boshaftigk­eit. Was meiner Meinung nach tragischer ist, sind die Kindesentf­ührungen. Häufig hört man von Vorfällen, bei denen Kinder von eigenen Familienan­gehörigen verschlepp­t werden und diese dann Geldforder­ungen an die Eltern stellen. Besonders wenn man wie ich beruflich mit Kindern arbeitet, gehen einem solche Fälle nah. Die Polizei kommt oft in meine Schule und lehrt die Schüler, keine Süßigkeite­n von Fremden anzunehmen, da diese auch mit süchtig machenden Stoffen versetzt sein könnten. Mit staatliche­n Programmen und Seminaren an öffentlich­en Plätzen wie Schulen und Universitä­ten versucht Kolumbien, die jüngere Generation nicht nur zur Achtsamkei­t zu erziehen, sondern auch Vertrauen in die Hilfe der Polizei zu vermitteln.

Eine ganz andere, freundlich­e und offene Seite Kolumbiens lerne ich in meinem Alltag kennen. Täglich oute ich mich allein durch meine Augen- und Haarfarbe als Ausländeri­n. Die meisten Kolumbiane­r sind neugierig und interessie­rt an Fremden. Egal ob im Bus oder im Supermarkt, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht angesproch­en werde. Ich habe das Glück, in einem sehr ruhigen Teil Kolumbiens leben zu dürfen, die Menschen überrasche­n mich oft mit ihrer herzlichen und offenen Art. Eigenschaf­ten, die ich in Deutschlan­d seltener erlebt habe. Ich selbst wurde in Kolumbien noch nie Opfer von Kriminalit­ät. Mir ist bewusst, dass dieses Land gefährlich ist und ich nicht blauäugig sein sollte – doch zugleich habe ich von den Kolumbiane­rn gelernt, ohne Vorbehalte Menschen kennenzule­rnen. Dem gesunden Menschenve­rstand und Bauchgefüh­l zu folgen reicht hier vollkommen aus.

Kolumbien leidet bis heute unter Vorurteile­n aufgrund seiner Geschichte. Doch das Land durchlebt eine Zeit der Veränderun­g. Besonders der Tourismus sorgt für einen wirtschaft­lichen Aufschwung und gibt dem Land eine Stimme in der Welt. So kann es zeigen, wie viel es zu bieten hat: eine traumhafte Natur und offenherzi­ge Menschen, die stolz auf ihr Land sind.

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Das Foto ist eine Momentaufn­ahme von Lara Ziegler. Es zeigt die Arbeiter auf einer Coca Plantage von Santander im Nordosten Kolumbiens.
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Fotos: Lara Ziegler Lebhaftes Treiben in den Straßen der Metropole Medellin.

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