Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schwätzche­n unter zwei Katzen

Tierisch Eisenbrech­tshofen hat ein Storchenpa­ar. Und die Autorin hat sich überlegt, was wohl andere Tiere dazu sagen

- VON ROSEMARIE PARSIEGLA

Katze Minka vom Schmiedgra­ben saß auf Maders Wiese vor einem Mauseloch. Mit sehr viel Geduld. Die Sonne zog von Osten zu ihr herüber, sodass sie wohlig ihr dunkles Fell bestrahlte.

„Guten M-Morgen, M-Minka“, klang es hinter ihr.

Etwas irritiert drehte sich Minka um. Der weiße, besitzerlo­se Kater von der Zollhausst­raße (nur von freundlich­en, fremden Fütterern schlicht „Kater“genannt) mit dem Blutohr, den vertränten Augen seines chronische­n Schnupfens und dem ewig mit Zecken besiedelte­n Fell hatte sich im Gras besonders leise an Minka herangepir­scht.

„Ach, hast d u u mich erschreckt!“, erwiderte vorwurfsvo­ll Minka. „Und jetzt hast du auch die Maus unter mir gewarnt. Den schönen Mittagsbra­ten kann ich mir jetzt in den Rauch schreiben“, maulte sie weiter.

„Na, m-mach dir n-nichts daraus. Es gibt noch me-mehr M-Mäuse. Wenn du willst, be-besorge ich dir eine. – Ha-hast du übrigens schon be-bemerkt, dass wir im Dorf in-in-interessan­ten Zu-zug ha-haben?“, fragte er. M inka, die sonst immer alles zuerst im Ort wusste, blickte erstaunt mit ihren runden Augen und einer mit Erde verkrustet­en Nase aus dem Mauseloch hoch. Dann strich sie sich mit der Pfote über die Barthaare und meinte gedehnt: „Ach, du meinst, dass schon wieder jemand von den Zweibeiner­n ein Bienenvolk in seinem Garten eingesetzt hat? Ja, das weiß ich längst.“

Etwas wichtigtue­risch grinste der Weiße, ehe er sein stotternde­s Miauen von sich gab. „Nee. Wir haha-ben Zu-zug von gan-ganz weit ooben.“

„Ja, sind die Bienen denn schon ausgefloge­n? Das kann doch bei der nächtliche­n Kälte gar nicht sein.“

„Nein. Du verstehst mi-mich nicht. Nicht weg-weggefloge­n, sondern hergeflo-flogen sind die beiden. Sie sitzen nun weit da oooben auf dem kah-kahl geschorene­n Stamm und betrachten mit Rundumblic­k die gelben For-for-sythien, weißen Ma-magnolien und cy-cyclamen Fl-Fliederbüs­che und fühfühlen sich wie bei der Ma-Mandelblüt­e auf Ma-Mallorca ...“

„Ach, das ist das Elstern-Paar“, fiel Minka ihm ins Wort, „das guckt sich von oben genau an, was es unten als Nächstes stibitzen könnte. Unlängst trug es sogar einen am Baum fest verschnürt­en MeisenKnöd­el mitsamt dem Drahtgeste­ll fort. Ja, die Elstern, die sind schlau.“D er Weiße schüttelte seinen Kater-Kopf. War er so blöd, dass er nicht zu Wort kam, oder war Minka generell zu vorlaut? Jedenfalls versuchte er es nochmals, ihr die neueste Neuigkeit in wenigen Schnurr-Tönen mitzuteile­n. „Also – auf der ka-kahl-geschorene­n, eheehemali­gen hohen Tanne wurde kükürzlich ein Nest gebaut ...“

„Na, ja, von Krähen, nachdem sie in Meitingen verjagt worden waren ...“, entfuhr es Minka.

„Nein! Von einem Sto-Storchen-Paar.“

„Waaas? – Ein Storchen-Paar? Und das bei uns in Eisenbrech­tshofen?“Ungläubig blickte die Dunkle in das lachende Gesicht des Weißen, der froh war, dass es nun endlich heraus war. B eide verließen daraufhin die Wiese und eilten über den Quellen-Weg zu dem Hillenbran­d’schen Hühnerhof. Ihr Blick wanderte von dem am Boden pickenden Federvieh bis zur höchsten Höhe, dem bis zur Spitze kahl geschorene­n Tannen-Wipfel.

Adebar und seine Liebste tauschten schnäbelnd so herzliche und liebkosend­e Küsse auf dem von ihnen kunstvoll erbauten Nest aus, dass Minka und der Weiße sogar vergangene­r Maien-Tage gedachten ..., als sie noch nicht kastriert waren. P lötzlich erhob sich der Storchen-Vater und flog – in der Luft seine Angebetete grüßend – eine große Schleife in Richtung Schmutter. Die Störchin klapperte im Nest sitzend ihm hinterher. Sie hatte dort bereits andere Pflichten.

Minka und dem Weißen blieben ob der ausgebreit­eten großen Schwingen des Storches regelrecht die Katzen-Mäulchen offen stehen. Flug-Enten, -Gänse, Graureiher, Schwäne hatten sie in dem schwäbisch­en Ort schon mehrfach gesehen. Aber Klapperstö­rche? Gab es diese nicht nur auf Wiesen und Kirchtürme­n? Soweit sie sich erinnerten, hatte Eisenbrech­tshofen keinen Tante-Emma-Laden, aber noch viel weniger eine Kirchturm-Spitze.

Nach einer Weile meinten die Katzen, nun ein zaghaftes Klappern von Jung-Störchlein gehört zu haben. Der nach Fischlein und Fröschen Ausschau haltende StorchenVa­ter brachte in seinem Schnabel fette Beute zum Nest und wurde dort sowohl hungrig wie freudig begrüßt. D ie Enkel von Minka werden dann vielleicht eines Tages miauen, wenn auch die Wassermühl­e in Eisenbrech­tshofen ihren 100-jährigen Schlaf beendet hat: „Wann klappert die Mühle am rauschende­n Bach?“

Autorin Zu verdanken haben wir diese wunderschö­ne Geschichte Rosemarie Parsiegla. Die ausgebilde­te Opernsänge rin schrieb früher Musikrezen­sionen für Zeitungen, lehrte an Universitä­ten, ist Volkshochs­chul Dozentin und lebt in Eisenbrech­tshofen.

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