Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schwätzchen unter zwei Katzen
Tierisch Eisenbrechtshofen hat ein Storchenpaar. Und die Autorin hat sich überlegt, was wohl andere Tiere dazu sagen
Katze Minka vom Schmiedgraben saß auf Maders Wiese vor einem Mauseloch. Mit sehr viel Geduld. Die Sonne zog von Osten zu ihr herüber, sodass sie wohlig ihr dunkles Fell bestrahlte.
„Guten M-Morgen, M-Minka“, klang es hinter ihr.
Etwas irritiert drehte sich Minka um. Der weiße, besitzerlose Kater von der Zollhausstraße (nur von freundlichen, fremden Fütterern schlicht „Kater“genannt) mit dem Blutohr, den vertränten Augen seines chronischen Schnupfens und dem ewig mit Zecken besiedelten Fell hatte sich im Gras besonders leise an Minka herangepirscht.
„Ach, hast d u u mich erschreckt!“, erwiderte vorwurfsvoll Minka. „Und jetzt hast du auch die Maus unter mir gewarnt. Den schönen Mittagsbraten kann ich mir jetzt in den Rauch schreiben“, maulte sie weiter.
„Na, m-mach dir n-nichts daraus. Es gibt noch me-mehr M-Mäuse. Wenn du willst, be-besorge ich dir eine. – Ha-hast du übrigens schon be-bemerkt, dass wir im Dorf in-in-interessanten Zu-zug ha-haben?“, fragte er. M inka, die sonst immer alles zuerst im Ort wusste, blickte erstaunt mit ihren runden Augen und einer mit Erde verkrusteten Nase aus dem Mauseloch hoch. Dann strich sie sich mit der Pfote über die Barthaare und meinte gedehnt: „Ach, du meinst, dass schon wieder jemand von den Zweibeinern ein Bienenvolk in seinem Garten eingesetzt hat? Ja, das weiß ich längst.“
Etwas wichtigtuerisch grinste der Weiße, ehe er sein stotterndes Miauen von sich gab. „Nee. Wir haha-ben Zu-zug von gan-ganz weit ooben.“
„Ja, sind die Bienen denn schon ausgeflogen? Das kann doch bei der nächtlichen Kälte gar nicht sein.“
„Nein. Du verstehst mi-mich nicht. Nicht weg-weggeflogen, sondern hergeflo-flogen sind die beiden. Sie sitzen nun weit da oooben auf dem kah-kahl geschorenen Stamm und betrachten mit Rundumblick die gelben For-for-sythien, weißen Ma-magnolien und cy-cyclamen Fl-Fliederbüsche und fühfühlen sich wie bei der Ma-Mandelblüte auf Ma-Mallorca ...“
„Ach, das ist das Elstern-Paar“, fiel Minka ihm ins Wort, „das guckt sich von oben genau an, was es unten als Nächstes stibitzen könnte. Unlängst trug es sogar einen am Baum fest verschnürten MeisenKnödel mitsamt dem Drahtgestell fort. Ja, die Elstern, die sind schlau.“D er Weiße schüttelte seinen Kater-Kopf. War er so blöd, dass er nicht zu Wort kam, oder war Minka generell zu vorlaut? Jedenfalls versuchte er es nochmals, ihr die neueste Neuigkeit in wenigen Schnurr-Tönen mitzuteilen. „Also – auf der ka-kahl-geschorenen, eheehemaligen hohen Tanne wurde kükürzlich ein Nest gebaut ...“
„Na, ja, von Krähen, nachdem sie in Meitingen verjagt worden waren ...“, entfuhr es Minka.
„Nein! Von einem Sto-Storchen-Paar.“
„Waaas? – Ein Storchen-Paar? Und das bei uns in Eisenbrechtshofen?“Ungläubig blickte die Dunkle in das lachende Gesicht des Weißen, der froh war, dass es nun endlich heraus war. B eide verließen daraufhin die Wiese und eilten über den Quellen-Weg zu dem Hillenbrand’schen Hühnerhof. Ihr Blick wanderte von dem am Boden pickenden Federvieh bis zur höchsten Höhe, dem bis zur Spitze kahl geschorenen Tannen-Wipfel.
Adebar und seine Liebste tauschten schnäbelnd so herzliche und liebkosende Küsse auf dem von ihnen kunstvoll erbauten Nest aus, dass Minka und der Weiße sogar vergangener Maien-Tage gedachten ..., als sie noch nicht kastriert waren. P lötzlich erhob sich der Storchen-Vater und flog – in der Luft seine Angebetete grüßend – eine große Schleife in Richtung Schmutter. Die Störchin klapperte im Nest sitzend ihm hinterher. Sie hatte dort bereits andere Pflichten.
Minka und dem Weißen blieben ob der ausgebreiteten großen Schwingen des Storches regelrecht die Katzen-Mäulchen offen stehen. Flug-Enten, -Gänse, Graureiher, Schwäne hatten sie in dem schwäbischen Ort schon mehrfach gesehen. Aber Klapperstörche? Gab es diese nicht nur auf Wiesen und Kirchtürmen? Soweit sie sich erinnerten, hatte Eisenbrechtshofen keinen Tante-Emma-Laden, aber noch viel weniger eine Kirchturm-Spitze.
Nach einer Weile meinten die Katzen, nun ein zaghaftes Klappern von Jung-Störchlein gehört zu haben. Der nach Fischlein und Fröschen Ausschau haltende StorchenVater brachte in seinem Schnabel fette Beute zum Nest und wurde dort sowohl hungrig wie freudig begrüßt. D ie Enkel von Minka werden dann vielleicht eines Tages miauen, wenn auch die Wassermühle in Eisenbrechtshofen ihren 100-jährigen Schlaf beendet hat: „Wann klappert die Mühle am rauschenden Bach?“
Autorin Zu verdanken haben wir diese wunderschöne Geschichte Rosemarie Parsiegla. Die ausgebildete Opernsänge rin schrieb früher Musikrezensionen für Zeitungen, lehrte an Universitäten, ist Volkshochschul Dozentin und lebt in Eisenbrechtshofen.