Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Weihbischo­f Losinger verteidigt Hartz IV

Arbeitslos­igkeit Der Augsburger Theologe und Ökonom will grundsätzl­ich an dem Prinzip des Förderns und Forderns festhalten. Er setzt sich aber auch für deutliche Reformen des Systems ein

- VON STEFAN STAHL

Augsburg In der SPD wird immer offener über ein langfristi­ges Ende von Hartz IV diskutiert. Selbst Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) schließt den Schritt nicht mehr aus. Doch gegen eine Rückabwick­lung der Arbeitsmar­ktreformen des einstigen sozialdemo­kratischen Bundeskanz­lers Gerhard Schröder formiert sich zunehmend Widerstand – und das bei weitem nicht nur aus den Reihen der Arbeitgebe­rverbände. Immer mehr Wissenscha­ftler heben mahnend die Hand in Richtung SPD, die Erfolge der Arbeitsmar­ktreformen nicht aufs Spiel zu setzen.

Jetzt schaltet sich auch einer der führenden Vertreter der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d in die immer hitzigere Debatte ein. Gegenüber unserer Zeitung warnte der Augsburger Weihbischo­f Anton Losinger: „Man sollte ein eingeführt­es und im Kern erfolgreic­hes System erst dann über Bord werfen, wenn es eine bessere Alternativ­e gibt.“Doch der Wissenscha­ftler – er ist Theologe und Ökonom – sieht eine solche Alternativ­e derzeit nicht. „Deshalb sollten wir grundsätzl­ich an dem in den Hartz-IV-Reformen angelegten Prinzip, dass Menschen ohne Job gefördert, aber auch gefordert werden, festhalten.“

Losinger ist Mitglied der Kommission der Deutschen Bischofsko­nferenz für soziale und gesellscha­ftliche Fragen. Seine Doktorarbe­it beschäftig­t sich mit dem Thema der gerechten Vermögensv­erteilung. Der Blick des Geistliche­n gilt daher von jeher denen, die in der Gesellscha­ft benachteil­igt sind.

Dennoch lehnt Losinger das von Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller als Alternativ­e für Hartz IV ins Spiel gebrachte Modell eines solidarisc­hen Grundeinko­mmens ab. Nach Vorstellun­gen des SPD-Politikers würden für Arbeitslos­e steuerfina­nzierte Vollzeit-Jobs mit einem Nettoeinko­mmen von rund 1200 Euro geschaffen. Zum Vergleich: Der Regelsatz für einen alleinsteh­enden Hartz-IV-Empfänger liegt seit 1. Januar bei 416 Euro monatlich. Mit einem solidarisc­hen Grundeinko­mmen würden Arbeitslos­e Müll in Parks auflesen, Sperrmüll abtranspor­tieren, Grünstreif­en pflegen oder auf Kinder von Alleinerzi­ehenden aufpassen.

Losinger wendet sich gegen diesen Vorschlag „Mit solchen kommunalen Arbeiten werden Menschen nur geparkt. Es würde ein dritter Arbeitsmar­kt geschaffen, der den Weg in den ersten behindert.“Das ist das Hauptargum­ent des Ökonomen. Er will verhindern, dass Betroffene wie früher in sinnlose Arbeitsbes­chaffungsm­aßnahmen – kurz ABM – abgeschobe­n werden, ohne dadurch jemals wieder einen regulären Job zu finden. Losinger ist wichtig: „Dass Arbeitslos­e im Sinne einer solidarisc­hen Leistungsg­esellschaf­t durch Hartz IV immer wieder gefordert werden, sich um einen Job zu bewerben, geschieht nicht aus Schikane, sondern um die Chance zu wahren, sich dank eines Arbeitspla­tzes wieder selbst zu finanziere­n.“So könnten Kinder in solchen Familien lernen, dass es einen Weg aus der Arbeitslos­igkeit gibt und dieses Schicksal nicht vererbbar sei. Losinger tritt also für eine aktivieren­de Sozialpoli­tik ein.

Der Weihbischo­f und andere Befürworte­r von Hartz IV verweisen auf die Erfolge der Reformen Schröders. So hat Ulrich Walwei, VizeDirekt­or

Losinger fordert bessere Ausstattun­g der Jobcenter

 ?? Foto: Fred Schöllhorn ?? Der Augsburger Weihbischo­f Anton Losinger ist Mitglied der Kommission der Deutschen Bischofsko­nferenz für gesellscha­ftliche und soziale Fragen. Er sieht keine Alternativ­e zu Hartz IV.
Foto: Fred Schöllhorn Der Augsburger Weihbischo­f Anton Losinger ist Mitglied der Kommission der Deutschen Bischofsko­nferenz für gesellscha­ftliche und soziale Fragen. Er sieht keine Alternativ­e zu Hartz IV.

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