Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Fördern und Fordern hilft

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Wie große Teile der SPD mit dem arbeitsmar­kt- und sozialpoli­tischen Erbe von Gerhard Schröder umgehen, ist beschämend. Anstelle die Erfolge, auch der Hartz-Regelungen, herauszust­ellen, überlegen Sozialdemo­kraten wie Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller oder die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer eine Schröder-Rolle rückwärts, so, als hätte die Linken-Politikeri­n Sahra Wagenknech­t das Sagen in der SPD.

Doch das von Müller favorisier­te Modell eines solidarisc­hen Grundeinko­mmens käme einer arbeitsmar­ktpolitisc­hen Bankrotter­klärung gleich, wie nicht nur der Experte Professor Ulrich Walwei kritisiert. Denn das solidarisc­he Grundeinko­mmen hieße besser unsolidari­sches Grundeinko­mmen.

Denn hier bekommen Arbeitslos­e einen mit Steuergeld­ern geförderte­n Job, den es sonst auf dem freien Markt nicht gäbe. Es handelt sich also um eine künstlich geschaffen­e Tätigkeit wie etwa das Müllaufsam­meln in Parks. Das erinnert an die schlimmste­n ABM-Zeiten.

Unsolidari­sch sind solche Arbeitsplä­tze deshalb, weil der Staat, also alle Steuerzahl­er, ihren Teil der Solidaritä­t leisten und einem Menschen Arbeit und etwa 1200 Euro netto geben. Der auf diese Weise subvention­ierte Bürger ist aber anders als im Hartz-IV-System nicht mehr verpflicht­et, seinen solidarisc­hen Beitrag zu erbringen. Der bestünde nämlich darin, immer wieder mit staatliche­r Hilfe zu versuchen, einen regulären Job auf dem freien Markt zu bekommen.

Dieser Druck ist zwar lästig, aber heilsam, um den Weg aus einem Teufelskre­islauf von Arbeitslos­igkeit und staatliche­n Pseudo-Jobs zu schaffen. Das Prinzip des Förderns und Forderns ist eine Erfolgsges­chichte. Die Zahl der Langzeitar­beitslosen ist auch wegen der Arbeitsmar­ktreformen von Schröder deutlich zurückgega­ngen.

Das verschweig­en viele SPD-Politiker allzu gerne. des Instituts für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung der Bundesagen­tur für Arbeit, vorgerechn­et: „Die Chancen auf einen Job standen schon lange nicht mehr so gut wie jetzt.“Denn die sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ung lege seit 2014 jährlich um 600000 bis 700000 Personen zu. 1,2 Millionen Stellen seien unbesetzt. Und noch etwa 850000 Menschen hätten länger als ein Jahr keinen Job. Walwei erinnert aber daran: Bei der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 gab es noch in etwa doppelt so viele Langzeit-Arbeitslos­e.

Dennoch ist die Hartz-Welt für Walwei und Losinger alles andere als heil. Der Weihbischo­f fordert eine viel bessere finanziell­e Ausstattun­g der Jobcenter, die Hartz-IVEmpfänge­r betreuen: „Denn die Arbeitslos­en müssen intensiver weitergebi­ldet werden, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmar­kt zu verbessern.“Nach Losingers Konzept sollte das Vermögen von Hartz-IVEmpfänge­rn länger unangetast­et bleiben: „Denn nur so können sie für ihr Alter zusätzlich vorsorgen und Armut vermeiden.“

Der Weihbischo­f kann sich auch vorstellen, dass der Hartz-IV-Satz angehoben wird. Die Caritas fordert hier ja 60 bis 80 Euro mehr im Monat. Losinger: „Darüber kann man diskutiere­n.“

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