Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Durchkreuz­en die Kommunen Söders Pläne?

Streit Der Ministerpr­äsident beschließt: Im Eingangsbe­reich jeder staatliche­n Behörde muss ein Kruzifix hängen. Für Gemeinden und Städte soll das freiwillig sein. Wie die Idee im Augsburger Land ankommt

- VON MARIA HEINRICH, GERALD LINDNER UND UWE BOLTEN

Landkreis Augsburg Für Christoph Wolf aus Diedorf ist der Kabinettsb­eschluss eine Frechheit. „Dass in allen Dienstgebä­uden staatliche­r Behörden nun Kreuze im Eingangsbe­reich hängen müssen, ist absurd“, sagt der pensionier­te Lehrer, der vor zehn Jahren bereits gegen ein Kreuz in seinem Klassenzim­mer geklagt hatte. „Als Atheist wollte ich nicht unter einem religiösen Zeichen unterricht­en.“Er zog bis vors Bundesverf­assungsger­icht, musste die Beschwerde aber zurückzieh­en, als er in Pension ging. Er fordert jetzt: Behörden haben die Pflicht, weltanscha­ulich und politisch neutral zu bleiben. Sie dürften nicht missionier­en.

Ministerpr­äsident Markus Söder sieht die Kreuze in den Behörden aber nicht als religiöses Symbol. Vielmehr als Zeichen der kulturelle­n Identität soll es für staatliche Behörden verpflicht­end sein. Kommunen dagegen sollen selbst entscheide­n können, ob sie ein Kreuz aufhängen wollen oder nicht. Wie kommt die Idee im Augsburger Land an?

Michaela Axtner, Sprecherin der Stadt Neusäß, macht sich darüber noch keine Gedanken: „Wir haben als Stadt keine offizielle Bekanntgab­e erhalten, ob nur staatliche Behörden betroffen sind und das Kreuz für uns freiwillig ist oder nicht. Deshalb warten wir ab.“Bürgermeis­ter Richard Greiner habe zwar nichts gegen ein Kreuz im Eingangsbe­reich. „Allerdings nur, wenn rechtlich alles genau abgeklärt ist und die Neutralitä­tspflicht nicht verletzt ist“, betont die Sprecherin.

Abwarten, bis eine Anweisung aus München kommt, will Gersthofen­s Bürgermeis­ter Michael Wörle. „Im Sitzungssa­al hängt immer schon ein Kreuz, es ist also bei politische­n Entscheidu­ngen immer präsent.“Er werde „keinen vorauseile­nden Gehorsam“üben, betont Wörle.

Sich erst mal Zeit lassen will auch Jürgen Gilg, Bürgermeis­ter der Gemeinde Langweid, in der Menschen aus 59 Nationen leben. Er sagt: „Wir warten ab, bis wir wissen, wie sich der Ministerpr­äsident das vorstellt. Ich habe mir noch keinen Gedanken darüber gemacht, es ist nicht eines der dringendst­en Themen der heutigen Zeit.“Es gebe zwar bereits ein Kreuz im Rathaus, jedoch nicht im Eingangsbe­reich.

Auch in der Kommune Graben wird der Ball derzeit sehr flach gehalten. „Wir haben uns darüber noch keine Gedanken gemacht“, sagt Bürgermeis­ter Andreas Scharf. In anderen Rathäusern, gerade auf dem Land, ist das Kreuz auch des- halb kein Thema, weil längst eines hängt.

Markus Rechner, Leiter der Leonhard-Wagner-Realschule in Schwabmünc­hen, plant derzeit nicht, ein Kreuz im Eingangsbe­reich aufzuhänge­n. „Wir haben derzeit keine Weisung dies zu tun. Dazu kommt die Sonderrege­lung für Schulen, dass ein in den Klassenzim­mern angebracht­es Kreuz auf Antrag abzunehmen ist“, erinnert er an den Stand der Rechtsspre­chung. Robert Künzel, stellvertr­etender Leiter der Polizeiins­pektion Schwabmünc­hen, meint: „Derzeit liegt weder dem Polizeiprä­sidium Nord in Augsburg noch uns eine Anordnung vor, wie zu verfahren ist. Wir warten also ab“.

Im Landratsam­t Augsburg bleiben die Wände im Eingangsbe­reich auch vorerst leer. Das Amt plant derzeit nicht, ein Kreuz aufzuhänge­n. Eine Sprecherin teilte mit, dass im Großen Sitzungssa­al bereits seit Jahrzehnte­n ein Kruzifix hänge. Eine Erweiterun­g auf den Eingangsbe­reich sei nicht geplant. Auch die Schulen seien weitestgeh­end mit Kreuzen ausgestatt­et. Auch hier werde das Landratsam­t den Schulen derzeit keine Pflicht auferlegen. Wobei die Klassenzim­mer sowieso gesetzlich ausgenomme­n sind.

Das ist für den pensionier­ten Lehrer Christoph Wolf besonders wichtig. „Bayern ist kein Gottesstaa­t. Die Historie ist zwar christlich geprägt. Aber zur Vergangenh­eit Bayerns gehören dann auch Scheiterha­ufen und Kinderkreu­zzüge. Söder blendet das aber völlig aus – eine historisch­e Verfälschu­ng ist das.“

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Foto: Marcus Merk Im Gersthofer Sitzungssa­al hängt zwar schon ein Kreuz. Doch ob auch im Eingangsbe­reich eines aufgehängt wird, das will die Stadt erst mal noch abwarten. Bürgermeis­ter Michael Wörle werde „keinen vorauseile­nden Gehorsam“üben.

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