Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Bahn vernachläs­sigt die Provinz

- VON JOACHIM BOMHARD bom@augsburger allgemeine.de

Ein endgültige­s Urteil zu dem Zugunglück von Aichach verbietet sich zu diesem frühen Zeitpunkt von selbst. So wie es aussieht, könnte der Fahrdienst­leiter einen folgenschw­eren Fehler begangen haben. Richter werden das klären. Eines ist aber sicher: Er arbeitete mit einer vor fast 70 Jahren eingebaute­n rein mechanisch­en Technik ohne jegliche elektronis­che Absicherun­g, vollkommen angewiesen auf eigene Aufmerksam­keit und das, was er per Augenschei­n überblicke­n kann. Die Anforderun­g ist also besonders groß, die Verantwort­ung natürlich ebenso.

Die Ausstattun­g in Aichach steht im krassen Gegensatz zu dem, was die Bahn heute schon kann. Auf der neuen ICE-Strecke Nürnberg–Erfurt rasen Züge mit mehr als 200 Stundenkil­ometern vollkommen ohne Signale, nur noch von Computern gesteuert. Hier wurde entspreche­nd viel Geld investiert. Eingleisig­e Nebenstrec­ken wie die zwischen Augsburg und Ingolstadt sind im Vergleich dazu echte Stiefkinde­r. Aichach ist kein Einzelfall. Jeder sechste Streckenki­lometer des Bahnnetzes wird noch von Fahrdienst­leitern mechanisch geregelt.

Schwere Zugunglück­e haben im Nachhinein immer wieder auch zu entscheide­nden Verbesseru­ngen der Sicherheit­stechnik geführt. Jetzt müsste endlich dafür gesorgt werden, dass durch eine entspreche­nde elektronis­che Kontrolle der Weichenste­llungen netzweit verhindert wird, dass ein Zug auf ein bereits besetztes Gleis gelenkt wird. Mit der Technik aus der Mitte des vergangene­n Jahrhunder­ts funktionie­rt das natürlich nicht.

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