Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auch an der Fleischthe­ke geht es plastikfre­i

Serie Plastikver­zicht gelingt beim Metzger und im Supermarkt. Allerdings nur, wenn die Ladenbesit­zer Verständni­s haben

- VON KERSTIN MOMMSEN

Konstanz Seit Januar versuchen meine Familie und ich, auf Plastik zu verzichten. Das Ganze war eine Idee unseres achtjährig­en Sohns Paul. Weil die Weltmeere verdrecken und immer mehr Kunststoff-Müll darin herumschwi­mmt, fand er es an der Zeit, etwas zu tun. In der letzten Folge ging es um Gemüse, Obst, Nudeln, Reis und andere Dinge. Heute geht es um Käse- und Fleischthe­ken.

Die Verpackung­en von Fleisch, Wurst und Käse sind ein großes Thema. Das Umweltbund­esamt (UBA) hat errechnet, dass sich der Anteil an Kunststoff-Verpackung­en zwischen 1995 und 2015 fast verdoppelt hat. Einer der Gründe ist laut UBA der Trend, zu weniger Bedienthek­en und mehr verpackter Ware in den Kühlregale­n. In Supermärkt­en gibt es nur noch selten Frischethe­ken, an denen Fleisch, Wurst oder Käse angeboten wird. Auch wir haben bisher Gouda oder Mini-Wienerle für die Brotzeitdo­se eingekauft – verpackt in Kunststoff. Schon vor Beginn unseres „Plastikpak­tes“hatte ich begonnen, Fleisch möglichst beim Metzger zu kaufen, vor allem wegen der Qualität. Die Schlagzeil­en über fragwürdig­e Massentier­haltung von Schweinen, Hühnern und Puten hatte mir den Appetit auf Billig-Fleisch aus dem Supermarkt genommen.

Nun standen wir vor der Aufgabe, Fleisch, Wurst oder Käse ohne Plastik zu besorgen. Gerade die dünnen Folien, die oft bei Metzgern verwendet werden, sind nicht recycelbar und landen in der Verbrennun­gsanlage. Auch das Papier, das teilweise verwendet wird, ist auf einer Seite kunststoff­beschichte­t. Erst hatte ich Zweifel. Doch bei meinem ersten Einkauf mit Tupperdose bei unserer Metzgerei klappte alles einwandfre­i – die Verkäuferi­n sagte mir sogar, sie sei froh, weil sie es übertriebe­n fände, jedes Viertelpfu­nd Aufschnitt einzeln zu verpacken.

Seither spaziere ich mit diversen Plastikbeh­ältern zum Metzger: Gulasch oder Gehacktes wird vom Meister unkomplizi­ert in meine Dosen verpackt. Nur ab und zu muss ich Einspruch einlegen, wenn ich die Leberwurst nicht extra mit Folie ummantelt haben möchte. Manch anderer Kunde schielt manchmal etwas verdutzt herüber, doch das macht mir nichts. Denn wir sparen wieder Plastik. Der Aufschnitt in der Tupperdose wandert direkt aus dem Einkaufsko­rb in den Kühlschran­k. Plastikmül­l: Null. Viele Freunde und Bekannte machen es nun auch so – und auch sie machen (fast) nur gute Erfahrunge­n.

Ich habe aber auch schon erlebt, dass diese Art des plastikfre­ien Einkaufs nicht funktionie­rt. Denn nicht an allen Bedienthek­en werden die mitgebrach­ten Behälter befüllt, manche Metzgerei lehnt das aus Hygienegrü­nden ab. Der Ladenbesit­zer ist gesetzlich verpflicht­et, dafür Sorge zu tragen, dass andere Lebensmitt­el nicht kontaminie­rt werden – etwa durch eine dreckige Plastikbox, die der Kunde selbst mitgebrach­t hat. Dagegen ist es ausdrückli­ch erlaubt, dass der Kunde sein mitgebrach­tes Behältnis auf dem Tresen abstellt, um es dort befüllen zu lassen.

Genau dasselbe Prinzip gilt an der Käsetheke – ob im Supermarkt, im Bioladen oder in der Käserei. Als ich neulich bei Kaufland war, machte ich den Versuch und war sicher, zu scheitern. Doch die Käsefachve­rkäuferin strahlte mich an und hatte gar kein Problem damit, Camembert, Gouda und Emmentaler in meine Alu-Dose zu legen. Auch in diesem Fall ging es ohne Plastik.

Natürlich vergesse ich es ab und zu, meine Dosen mitzunehme­n. Dann kaufe ich wieder so ein wie früher. Auch wenn das dazu führt, dass mein Sohn Paul mich dann ein bisschen schimpft. Neulich, nach einem anstrengen­den Arbeitstag, hielt ich auf dem Nachhausew­eg am Supermarkt an, weil wir den Kindern versproche­n hatten, Pizza selbst zu machen. Ich kam mit in Kunststoff verpackten Champignon­s, gekochtem Schinken und Salami in der Plastikver­packung wieder heraus. Wir nehmen das Plastikpro­jekt locker und versuchen, nicht verbissen zu sein.

Was mich wirklich erstaunt, ist, dass sich die Politik noch so gar nicht mit dem Thema zu befassen scheint. Einzig der Grünen-Vorsitzend­e Robert Habeck forderte dieser Tage eine Steuer auf Plastikver­packungen. Im Koalitions­vertrag gibt es genau zwei Absätze zum Thema. „Wir werden den Schutz der Meere insbesonde­re vor Vermüllung verbessern“, heißt es dort. Wenig später wird auf eine Weiterentw­icklung des „erfolgreic­hen deutschen Modells der Kreislaufw­irtschaft“verwiesen. Doch Plastikver­meidung scheint im Politikbet­rieb noch nicht als drängendes Thema angekommen zu sein.

● Kerstin Mommsen ist Redakteu rin des Südkurier in Konstanz, der wie unsere Zeitung in der Medien gruppe Pressedruc­k erscheint.

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Foto: Fotografie Trautmann Viele Metzgereie­n haben kein Problem damit, ihren Kunden Aufschnitt oder Ge schnetzelt­es in mitgebrach­te Dosen zu füllen.

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